Thüringer Linkschefin über Rot-Rot-Grün: „Die Regierungskarte ziehen“

Rot-Rot-Grün auf Bundesebene? Man muss nur wollen, meint Susanne Hennig-Wellsow. Problematisch könnten allerdings Militäreinsätze werden.

Die alten und neuen Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, halten Blumensträße

Das Führungsduo Riexinger und Kipping will einen Aufbruch der Linkspartei. Aber wohin? Foto: dpa

taz: Frau Hennig-Wellsow, zur Möglichkeit einer rot-rot-grünen Bundesregierung hat sich Ihre Partei am Wochenende recht eindeutig positioniert. Sahra Wagenknecht rief unter Beifall, man solle nicht herbeireden, wofür es derzeit keine Grundlage gebe. Ist Rot-Rot-Grün tot?

Susanne Hennig-Wellsow: Ich halte es nicht für richtig, ein Bündnis mit SPD und Grünen für 2017 von vornherein auszuschließen. Wir reden über eine bessere Gesellschaft, aber auf ein besseres Leben darf man nicht nur hoffen, sondern man muss für soziale Gerechtigkeit aktiv werden. Wir sollten also daher nicht nur in der außerparlamentarischen und parlamentarischen Opposition kraftvoll mitwirken, sondern auch in der Regierungsebene.

Das heißt?

Ich halte es für dringend geboten, die Regierungskarte auch für die Bundestagswahl zu ziehen, weil wir ohne Machtoptionen weniger gestalten können. Man muss die Gemeinsamkeiten herausstellen und zumindest die Option offen halten, dass Rot-Rot-Grün möglich wäre.

Die Linkspartei will aber verstärkt auf Eigenständigkeit und Abgrenzung setzen.

Ohne Eigenständigkeit gibt es auch kein Zusammengehen. Rot-Rot-Grün funktioniert nur, wenn jede Partei ihr eigenständiges Profil hat.

Viele Ihrer Genossen sind besorgt, die Linke könnte in einem Regierungsbündnis ihre Identität als radikal linke Kraft aufgeben. Berechtigterweise?

Ich halte diese Identitätsdebatte für eine Phantomdiskussion. Weil wir als Linke niemals in eine Koalition einsteigen würden, wenn wir gezwungen wären, unsere Identität aufzugeben. Das ist wie in einer guten Beziehung: Man bleibt sich selbst treu, auch wenn man verheiratet ist.

Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen Linkspartei und SPD und Grünen?

Es gibt zwischen Linken, Grünen und SPD viele Überschneidungen im Bereich Bildungspolitik. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Thema, auch wenn hier vorrangig die Länder zuständig sind. Aber auch bei den Themen Energiewende und erneuerbare Energien oder im Bereich Bürgerrechte und Demokratie kämen wir gut zusammen. Und es gibt in allen drei Parteien Konzepte zu Umverteilung und zur Einführung einer Vermögenssteuer. Das ist ein ganz zentrales Thema. Wir kommen nicht weiter, wenn wir nicht an die großen Vermögen gehen. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit Rot-Rot-Grün funktioniert.

Jahrgang 1977, ist Landes- und Fraktionsvorsitzende der Linkspartei in Thüringen. Die Diplompädagogin war in ihrer Jugend Leistungssportlerin (Eisschnelllauf). Seit 2004 gehört die gebürtige Demminerin dem Thüringer Landtag an.

Wo kämen Sie nicht zusammen?

Ich wäre die Letzte, die Militäreinsätzen zustimmt.

Ein Regierungsbündnis würde also an diesem Punkt scheitern.

Nein, das glaube ich nicht, es ist aber ein Knackpunkt. Die Menschen wollen keine Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Das zeigen entsprechende Umfragen eindrücklich. Über das Beenden der laufenden Auslands­einsätze muss man sich verständigen.

In Thüringen regiert die Linke seit eineinhalb Jahren mit SPD und Grünen. Wie klappt das?

Gut. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es neben der Programmatik auch massiv an den handelnden Personen hängt. Das heißt, wir müssen Menschen finden, die einander vertrauen. Wenn das gelingt, kann ich mir Rot-Rot-Grün auch im Bund sehr gut vorstellen.

Gregor Gysi schlug einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten vor. Gute Idee?

Die Frage eines gemeinsamen Kanzlerkandidaten stellt sich gegenwärtig nicht.

Auch die Frage nach Rot-Rot-Grün stellt sich eigentlich nicht. Laut Umfragen gibt es keine Mehrheit.

Derzeit gibt es doch rechnerisch eine Mehrheit im Bundestag. Wenn man aber betont, es wird nichts, dann wird es auch nichts. Ich sage: Man muss Erfolg auch ausstrahlen. Es sind noch eineinhalb Jahre bis zur Bundestagswahl.

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