Prügeltod eines 17-Jährigen: Totenglocken in Bad Godesberg

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Jugendlichen in Bonn sind die Täter noch nicht gefasst. Rechte instrumentalisieren den Vorfall bereits für ihre Zwecke.

ein Kreuz mit der Aufschrift "Niklas" und Kerzen, im Hintergrund eine Straßenszene

Die Anteilnahme in Bad Godesberg ist groß Foto: dpa

KÖLN dpa | Ein schöner Abend muss es gewesen sein. Ein bisschen Rockmusik beim Konzert der Band Dirty Deed in den Bonner Rheinauen, das traditionelle Feuerwerk am Rhein, dann wollte Niklas mit seinen Freunden wieder zum Bahnhof und nach Hause zurück. Dort ist der Junge aus Bad Breisig (Rheinland-Pfalz) nie angekommen. Eine Sonnenblume, ein Holzkreuz mit seinem Vornamen, eine handvoll kleiner roter Trauerkerzen erinnern heute an ihn.

Von brutalen Schlägen getroffen, ging Niklas in der Nacht zum vergangenen Samstag womöglich bereits bewusstlos zu Boden. Er wurde dennoch weiter verprügelt. Am Freitag, fast eine Woche später, erlag er seinen schweren Verletzungen. Von den mindestens drei Schlägern fehlt bislang eine heiße Spur. „Aber es gibt erste Hinweise“, macht ein Polizeisprecher Hoffnung.

Der Bonner Stadtteil Bad Godesberg, einstige Hochburg der Diplomaten. Seit Tagen schon ist die Anteilnahme groß. Nach Niklas' Tod zeigen sich Politik und Kirche schockiert. Bezirksbürgermeisterin Simone Stein-Lücke (CDU) fordert „Härte und Konsequenz“ beim Verfolgen der Täter, „Brutalität und Skrupellosigkeit“ hätten eine „ganz neue Dimension“ erreicht, sagt sie.

Man beobachte seit Jahren eine zunehmende Gewaltbereitschaft unter manchen Jugendlichen in Bad Godesberg, sagt auch Pfarrer Wolfgang Picken. „Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung sinkt und die Brutalität wächst. Hier schwelt ein Aggressionspotenzial, das immer unberechenbarer und zur Gefahr für alle Bürger wird.“

Die Kirche setzte bereits am Freitagmittag ein vernehmbares Zeichen der Anteilnahme in Bad Godesberg und ließ alle Totenglocken läuten in Gedenken an den 17-Jährigen. „Unser ganzes Mitgefühl gilt jetzt seiner Mutter, seiner Schwester, seinen Angehörigen und Freunden“, sagt Picken. Am Samstag soll das Toten- und Mahngeläut um 12 Uhr wiederholt werden – als „Mahnung für ein Miteinander ohne Gewalt“.

Angesprochen und attackiert

Für Bad Godesberg sei der Prügeltod des Jugendlichen eine einschneidende Erfahrung. Vor Ort müsse darüber nachgedacht werden, was wirksam gegen Gewalt und für Integration getan werden könne. „Uns muss klar sein: Es muss uns allen eine Verpflichtung sein, alles dafür zu tun, dass so etwas nie wieder geschieht“, sagte Picken.

Was genau geschehen ist gegen 00.20 Uhr in jener Nacht, das versucht die Polizei noch zu ermitteln. Bekannt ist nur, dass Niklas mit einem 18 Jahre alten Begleiter an einem bekannten Treffpunkt, dem Rondell, angesprochen und schließlich attackiert wird. Eine gleichaltrige Freundin will eingreifen und wird ebenfalls geschlagen.

Erst als Passanten zur Hilfe eilen, lassen die Schläger ab und ergreifen die Flucht. Niklas muss noch am Ort der Schläge reanimiert werden, seine Freunde erleiden leichte Verletzungen. „Es scheint so, als kannte der Jugendliche die Täter nicht“, heißt es vorsichtig bei der Polizei.

Futter für die Rechten

Hunderte Flugblätter wurden seit der Prügelattacke verteilt in der Nähe des Bahnhofs. Die Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 3.000 Euro ausgesetzt. Bislang ohne Erfolg, auch wenn sich die Ermittler nach ersten Hinweisen Hoffnungen machen. Denn Zeugen haben die Schläger relativ gut beschrieben: Schwarze Haare haben sie demnach alle, die drei gesuchten jungen Männer sind zwischen 17 und 20 Jahre alt, sie haben einen braunen Hauttypen, sprachen akzentfrei Deutsch.

Für die rechte Szene reicht das aus, um mahnend auf die Straße zu gehen – und sie ruft ihre Gegner ebenfalls auf den Plan. Für Samstag sind zwei Demonstrationen in Bad Godesberg angemeldet. Das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ stemmt sich gegen eine rechtsgerichtete Kundgebung, die die Gewalttat an dem 17-Jährigen für ihre Zwecke instrumentalisieren will.

Auch Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan schaltete sich ein. Er appellierte, sich von der Demonstration der Rechtsextremen nicht „hinters Licht führen zu lassen“.

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