Die alte sozialdemokratische Dame und ihr Latin Lover
: Sieg mal, Gabriel

Zu Hause bei Fremden

von MiguelSzymanski

Während die SPD in Deutschland darbt, gedeiht die von ihr finanzierte – und nach ihrem Ebenbild 1973 bei Bonn kreierte – portugiesische sozialdemokratische Partei PS. Willy Brandt half damals seinem portugiesischen Pendant, Mário Soares, durch gemeinsame Auftritte, Ansehen zu gewinnen. Nun könnte António Costa, der aktuelle Chef der PS, mal nach Berlin kommen, um Sigmar Gabriel auf der Politbühne zu soufflieren.

Gabriel und Costa gehören zur selben Generation, sie eint der zentnerschwere Auftritt und die Tendenz zum Aufbrausen. Nur: Der Portugiese macht seine Politik sehr erfolgreich. Seine Sozialdemokraten regieren allein als Minderheitsregierung, die Umfragewerte steigen, die Partei macht eine in Sozialfragen engagierte, linksorientierte Politik. Die PS ist also alles, was die SPD nicht mehr ist.

Wie also könnten sie ihren deutschen Genossen helfen? Geld in Millionenhöhe, wie die SPD vor 43 Jahren ihrem Zögling im Süden gab, können die Portugiesen nicht nach Deutschland überweisen. Das Land ist wegen des Schuldendienstes wirtschaftlich am Boden, im letzten Quartal ging es weiter bergab. Aber politisch könnte sich die SPD etwas von der PS abgucken.

Gleich bei der Regierungsbildung im November letzten Jahres gab es drei Tabubrüche: Costa selbst ist der erste dunkelhäutige Partei- und Regierungschef indischer Abstammung. Als Justizministerin hat er eine Schwarzafrikanerin berufen, ein weiteres Regierungsmitglied ist Angehöriger der Roma. Der Anteil der Portugiesen mit Migrationshintergrund beträgt ähnlich wie in Deutschland um die 20 Prozent.

Politisch steht António Costa den linken Parteien sehr nahe. Sein Vater war Kommunist, wurde während der Diktatur mehrmals verhaftet. Vielleicht konnte Costa darum die portugiesischen Sozialdemokraten links ausrichten und, noch wichtiger, ihnen wieder eine klare politische Identität gegeben.

Inhaltlich hat Costa in einem Land, in dem die Einkommens­ungleichheit noch viel stärker ausgeprägt ist als in Deutschland und die Armut an jeder Ecke sichtbar, seine Partei umgekrempelt. Seine Regierung geht auf Distanz zur von Berlin diktierten EU-Finanzpolitik. „Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind“, sagt der Finanzminister. Sozialpolitik und Vermögensbesteuerung steht wieder groß auf der Parteiflagge und Costas verständigt sich ohne jegliche Komplexe mit den Kommunisten (PCP) und den Linken (Bloco de Esquerda).

„Geringonça“, wackliges Vehikel, nannten die Konservativen in Lissabon anfänglich die von den linken Parteien mitgetragene PS-Minderheitsregierung. Doch das gewagte Gefährt hält erstaunlich gut – und gewinnt an Fahrt.

Bei Gabriel und der SPD sieht das etwas anders aus. Hier erscheint die GroKo als das Wackelgefährt. Der Malocher am Tresen gerät in den Sog der AfD, weil er Existenzangst hat, die prominenten SPD-Politiker immer mehr wie Vorstandsvorsitzende börsennotierter Unternehmen aussehen und die Vertreter der nächsten SPD-Generation wie aalglatte Versicherungsvertreter. Maas oder Steinmeier werden die SPD nicht vor dem Wählerschwund retten. Wollen die deutschen Sozialdemokraten Volkspartei bleiben, muss sich alles ändern. Ein Blick nach Lissabon könnte helfen.