Regisseurin über Leben mit Behinderten: „Ich will runter vom Sockel“

Freude, Zweifel und Trauer: Tabea Hosche geht es nicht um HeldInnengeschichten, sondern um eine ehrliche Darstellung des Alltags mit behinderten Menschen.

Tabea Rosche und ihre Tochter Uma lachen

Tabea Rosche und ihre Tochter Uma Foto: WDR

taz: Frau Hosche, normalerweise porträtieren Sie fremde Menschen. Warum haben Sie sich nun für Ihre eigene Geschichte entschieden?

Tabea Hosche: Mir ist aufgefallen, dass in Filmen über Menschen mit Behinderung oft HeldInnen-Geschichten erzählt werden. Es geht dann um Höchstleistungen, die behinderte Menschen vollbringen oder um Elternpaare, die – nach dem ersten Schock – alles super auf die Reihe kriegen. Ein typisches Narrativ: Die Behinderung führt zur Einsicht, worauf es wirklich ankommt im Leben, rückt die Perspektive zurecht und die wahren Werte in den Vordergrund.

Ist es denn nicht so?

Das Leben mit Uma ist viel mehr – und das will ich ehrlich zeigen. Als Mutter eines behinderten Kindes werde ich oft bewundert, auf einen Sockel gestellt. Wie ich das wohl alles schaffen würde und wo ich die Kraft hernehme, werde ich gefragt. Aber auf diesem Sockel ist es einsam. Denn wenn andere Menschen mich nur bewundern, schaffen sie es nicht, zu fragen, wie es mir wirklich geht. Ich werde wegapplaudiert. Darauf habe ich keine Lust mehr. Ich will etwas zur Debatte über Leben mit Behinderung beitragen und nicht mehr auf dem Sockel stehen.

Bei neun von zehn Kindern, denen in der Schwangerschaft das Downsyndrom diagnostiziert wird, entscheiden sich die werdenden Eltern für einen Abbruch der Schwangerschaft. Sind die HeldInnengeschichten nicht auch ein Weg, der behindertenfeindlichen Tendenz etwas entgegenzuhalten?

Tabea Hosche arbeitet seit 2007 als freiberufliche TV-Journalistin, Filmemacherin und TV-Produzentin vor allem für die öffentlich-rechtlichen Medien.

„Uma und ich“, WDR, 1. Juni, 22.40 Uhr

Das mag sein, aber folgt daraus zwangsläufig, dass meine Aufgabe sein muss, gute Stimmung für behinderte Kinder zu machen? Sollte ich mir verbieten, offen zu reden, weil ich Angst habe, dass man meine Äußerungen als Plädoyer gegen Behinderung missverstehen könnte? Ich kann wirklich jedem Mut machen, es mit einem behinderten Kind zu versuchen, aber ich kann niemanden davon überzeugen, indem ich meine Zweifel und meine Trauer verheimliche.

Mütter, die über das Leben mit ihren Kindern publizieren, werden oft dafür kritisiert. Gleichzeitig stehen sie in der Kritik, für ihre Kinder zu sprechen, statt sie selbst sprechen zu lassen. Wie gehen sie damit um?

Ich bin bisher nie mit privaten Themen in die Öffentlichkeit gegangen, habe keinen Facebook-Account, viele meiner Auftraggeber wussten nichts von meiner behinderten Tochter. Hätte ich zwei nichtbehinderte Kinder, hätte ich vermutlich keinen Film über unsere Familie gedreht. In erster Linie geht es aber auch nicht um Uma, sondern um mich und meinen Mann und wie wir mit ihrer Behinderung umgehen. Ich bin die Protagonistin des Films und erzähle aus meiner Sicht. Ich filme und ich schaue auf mein Kind und meine Familie. Und ich finde, ich habe das Recht, zu erzählen. Auch und gerade, weil mein Kind es nicht kann.

Gibt es Szenen, bei denen Sie sich gegen die Veröffentlichung entschieden haben?

Ja. Aber ich habe versucht, streng mit mir zu sein und nicht auszusortieren, nur weil es mir peinlich ist oder ich mal nicht gut rüberkomme. Das muss ich aushalten, denn ich will ja gerade keinen HeldInnenfilm erzählen.

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