Dream PopMit dem luftigen elektronischen Sound von Jaakko Eino Kalevi rückt Finnland näher an die Balearen
: Big Easy

Jaakko Eino Kalevi Foto: Harley Weir

Träumerische Synthiemelodien, elektronischer Pop, karg, aber süß und klebrig wie Sirup. Sich selbst stelle man sich darin als Stubenfliege vor, die feststeckt. Wäre angenehm, den Sirup wieder loszuwerden. Geht nicht, kein Entrinnen: ­Jaakko Eino Kalevi lächelt verschmitzt, bleibt cool. Sagt erst mal gar nichts. Dann fast nichts. „Easy“. Wenn ihm Melodien zusagen, wie müssen sie klingen? Na, easy halt.

Sein Song „Deeper Shadows“ mit dieser heimtückischen Hookline, die einen wochenlang verfolgt, ist so ein großes Easy. Vom Sentiment her klingt „Deeper Shadows“ ein bisschen wie schwitziger G-Funk, von der Wiedererkennbarkeit her hält er locker mit dem Klangarsenal von Videospielen mit, dazu tuckert eine Drummachine, betont die Bassdrum und spendet fleißig Handclaps. „Nobody ­cares about you and your things“, hebt eine Stimme an, singt davon, wie es ist, auf sich selbst gestellt zu sein. „Unkown / You can’t see or perceive“.

Jaakko Eino Kalevi war jedenfalls bei Sinnen, als ihm diese Hookline einfiel, eine Hookline, die einen richtigen Hit veredelt: „Deeper Shadows“. Er spielte ein Konzert in der finnischen Stadt Tampere, 2014 war das, stöpselt seinen Yamaha-Synthesizer für den Soundcheck ein. Eher verlegen fängt er zu spielen an, probiert rum, zack ist diese Tonfolge da. Damit wir sie nie vergessen, hat sie Jaakko Eino Kalevi, der 32-jährige Finne, den alle nach seinen Initialen JEK nennen, ins Handy eingespielt, mit dem er alles aufnimmt: „Easy“.

Kalevi, groß gewachsen, lange blonde Haare, oft mit Stirnband wie das Tennisass Björn Borg, ist alles andere als ein konfektionierter Profi von der Pop-Akademie. Natürlich sieht er sich in einer Ahnenreihe mit finnischen Elektronik-Produzenten wie Mika Vainio, Ilpo Väisänen und Jimi Tenor. Wie diese hat Jaakko Eino Kalevi sich und seine Hooklines selbst ausgedacht. Nebenher entwirft er auch eigene Klamotten. Beim Interview trägt er ein Sweatshirt mit ultrastylischem Sternenmuster.

Aufgewachsen ist Kalevi in ­Jyväskylä, einer Universitätsstadt 300 Kilometer nördlich von Helsinki. Da wurde es ihm nach der Schule zu eng und er ging nach Helsinki. Dann machte er eine Ausbildung zum Trambahnfahrer bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben. „Ich würde es jederzeit wieder tun. Die Kollegen waren super, die Arbeit war meistens easy.“ Ob man die Schleifen, die er da gefahren ist, mit seiner Musik vergleichen könnte? „Nein, nein, Trambahnfahren entspricht eher Drone-Musik, mein Sound macht größere Bögen.“

Stimmt schon, wenn Kalevi mit tiefer Stimme singt, erinnert das in seiner Eleganz an Brian Ferry. Kalevis Musik ist wiederum an den Sound angelehnt, der in Großbritannien „Balearic“ genannt wird, softe und spacige Grooves zum Tanzen, die sich mit Kitsch solidarisch erklären, aber qua Melodienreichtum auch zum psychedelischen Freak-out eingeladen werden. Kalevis Album ist ein Grower. Alle zehn Songs haben diesen gewissen Kniff, klingen entspannt und umarmen dabei die ganze Welt in ihrer melodiösen Offenheit.

Die Welt nimmt seinen Synthie-Dream-Pop auch dankbar auf. Manchmal braucht es eben etwas Leichtes, um in komplizierten Zeiten zurechtzukommen. In Japan haben sie ihn zum Helden erklärt. Eben war er zum ersten Mal in den USA, hat in New York, beim Moogfest und in Los Angeles vor begeisterten Zuschauern gespielt. Namhafte DJs spielen seine Songs. Aber Kalevi bringt seinen Sound auch auf der Bühne rüber. Mit einem denkbar simplen Set-up: Er lässt sich von einem Schlagzeuger begleiten und macht ansonsten alles selbst. Kein Entrinnen. Julian Weber

Jaakko Eino Kalevi: „JEK“ (Weird World/Domino/Rough Trade). Live: 5. Juni. „Torstraßen Fest – Super Sunday“ Volksbühne Berlin