Kolumne Behelfsetikett: So schön, ja, so schön

Ab und an reizt die Idylle in der Stadt. Leider hat Berlin da wenig zu bieten. Also nichts wie rein in den Zug.

Zuggleise

Mit dem Zug verreist es sich gut Foto: dpa

Ein komisches Gefühl: Ich sitze im Zug nach Prag, und ein waschechter Amerikaner muss mir erklären, dass „das da oben“ die Festung Königstein ist, die gerade idyllischst am Fenster vorbeizieht. Inmitten der wirklich malerischen Sächsischen Schweiz, also im Elbsandsteingebirge samt Elbe davor.

Ich wusste nicht um die berühmte Festung, war also dankbar für die Information. Und der Professor für Englisch hatte Heimvorteil, denn er lebt seit ein paar Jahren in Dresden – er sagte tatsächlich mit einem hübschen Akzent „Elbflorenz“ dazu. Wo die Elbe entspringt (im tschechischen Riesengebirge), wusste er dagegen nicht. Punktegleichstand. Reisen bildet, der alte Spruch stimmt immer noch. Und Prag ist Bildung pur, so viel Geschichte – deshalb: BerlinerInnen, fahrt öfter nach Prag!

Des Panoramaausblicks auf Elbe und Elbsandsteingebirge wegen am besten mit dem Zug. Erst mal ist es mit einem weit im Voraus gekauften Europa-Special-Ticket recht günstig (und noch günstiger mit Bahncard 25). Zweitens gehen die viereinhalb Stunden Fahrzeit gut rum, wenn man liest oder daddelt oder döst (das ist aber doof wegen des Panoramaausblicks). Drittens ist es in Prag so schön, ja, so schön – und viertens lehrreich, gerade für uns Berliner.

In der Goldenen Stadt, die im Zweiten Weltkrieg so gut wie nicht zerstört wurde, lassen sich Studien städtebaulicher Art betreiben. Gerade die Altstadt mit ihren seit Jahrhunderten nicht veränderten Straßenzügen führt vor Augen, was es in Berlin einst alles gab, aber eben alles nicht mehr gibt – die komplette Altstadt.

Viele der kleinen, eher engen und für Massenverkehr untauglichen Straßen laufen in der Regel in kleinen Plätzen zusammen, die mit Bäumen und Bänken kleine Oasen der Ruhe schaffen. Die Straßen mit ihren uralten Pflastersteinen, alles andere als eben und plan, verringern die Geschwindigkeit des Verkehrs von ganz allein. Die Autos halten an den vielen Zebrastreifen durchweg und von sich aus, als Fußgänger muss man deren Stopp nicht wie in Berlin erzwingen. Viele Altstadtstraßen sind ohnehin den Fußgängern vorbehalten. Man stelle sich das für Berlin vor.

Wobei: Im Nikolaiviertel hat die DDR ja versucht, ein Stück Berliner Altstadt in verschnörkelter Plattenbauweise und mit historisierenden Straßenzügen nachzuempfinden. Aber hm, nachgebaut ist das alles auch nichts.

Doch zurück nach Prag. Es gibt natürlich was zu meckern. Die meisten Rolltreppen in die irre tief liegende Metro rasen geradezu, das ist gewöhnungsbedürftig. Und ein großes Manko, das darf nicht verschwiegen werden, sind die schlechten Bedingungen für Fahrradfahrer. Deshalb sieht man kaum welche im Stadtbild. Es ist halt nie alles Gute beisammen.

Apropos: Als Tourist in Prag, gerade im Epizentrum Altstadt oder oben auf dem Hradschin, der größten Festungsanlage Mitteleuropas, muss man leidensfähig sein. Es ist oft viel zu voll, die vielen Reisegruppen nerven, und auf einmal werden hier in Prag all die Wehklagen von BerlinerInnen verständlich, die die Touristenheerscharen nicht mehr sehen können, die sich wegen der fehlenden Altstadt (auf die sich vieles konzentrieren würde) in der ganzen Stadt breitmachen und in die Kieze drängen.

In Prag kann man es übrigens ähnlich machen, um den Touristenmassen zu entgehen: einfach in die Seitenstraßen ausweichen und den Altstadtkern verlassen und in anderen Stadtteilen flanieren. Da locken dann Cafés und Restaurants, die nur von Einheimischen frequentiert werden und wo – entgegen dem Klischee von Prag als der Bierstadt – der Rotwein fantastisch mundet.

Oder es drängen sich Erlebnisse der ausgefallenen Art auf, die am Ende gut für einen Lacher auf jeder Party sind: mitten auf einer Grünfläche vis-à-vis einer Tram-Haltestelle zieht sich ein Mann die Hosen herunter – und kackt auf die Wiese.

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