Weltam Draht

Kunst Die Sammlung Julia Stoschek hat eine temporäre Dependance in Berlin gefunden

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Arbeit mit Bewegtbild für den Künstler und die Künstlerin eine ziemlich unaufwändige Sache ist, für die es eigentlich nur eine Kamera und einen Rechner braucht, während sie denjenigen, die sie zeigen und ausstellen wollen doch einige Umstände bereitet.

Wieviel Aufwand mit der Präsentation zeitbasierter Kunst verbunden ist, lässt sich derzeit in Berlin in der Jerusalemer Straße 1, Ecke Leipzigerstraße beobachten, wo Julia Stoschek sich temporär, bis zum 18. September, eingerichtet hat. Unter dem Titel von Rainer Werner Fassbinders Fernseh-Zweiteiler „Welt am Draht“ (1973) hat sie hier einen Teil ihrer Düsseldorfer Sammlung von „Video-, Einzel- und Mehrfachprojektionen von analogem und digitalem Filmmaterial, Multimedia-Environments sowie computer- und netzbasierte Installationen“ (so der Pressetext) mustergültig ausgestellt.

Sehr schön ist zu sehen, welch Raum verschlingendes Unternehmen die Sammlung zeitbasierter Medienkunst ist. Aber Raum gibt es im ehemaligen tschechischen Kulturzentrum der früheren DDR glücklicherweise nicht nur en masse, sondern auch in vielfältigen Raumgrößen und Ausstattungen. So kann etwa im großen Kinosaal die Echtzeitsimulation „Emissary Forks at Perfection“ des 1984 geborenen Künstlers Ian Cheng im Breitleinwandformat die Evolutionsgeschichte unserer Welt durchspielen.

Den traditionellen Kinovorhang hat die Architektin Johann Meyer-Grohbrügge dann durch das ganze Haus gezogen, in einem weißen leichten Soff, der das ganze Ensemble zum Schweben zu bringen scheint. Eine kluge gestalterische Unterstützung der vielen Talking Heads, die hier – wie immer, wenn sogenannte Videokunst zur Aufführung kommt – zu beobachten sind. Über die eine oder andere Arbeit erhält man dann freilich auch eine Ahnung von anderen, fremden Bildwelten. Das ist spannend, selbst wenn man sie gerne im Unbekannten belassen möchte. Denn folgt man Jon Rafmans „Betamale Trilogy“, scheint es, als bestünden 90 Prozent der visuellen Unterhaltungsware von Netz und Computerspielen im Vergnügen, Frauen zu misshandeln.

Dagegen ist Hito Steyerls Video „Lovely Andrea“ das Antidot, insofern dort eine Bondagefrau mit sehr nachvollziehbaren Argumenten Auskunft gibt über ihr Vergnügen am und ihr Freiheitsempfinden durch das Gefesseltsein. Wbg