Friday Night in Berlin Wedding

Neo-KrautrockNeugier auf ungewöhnliche Klänge: Jochen Arbeit, Günter Schickert und Schneider TM haben ein Album als ASS aufgenommen

Drei Berliner Gitarristen aus drei Generationen veröffentlichen gemeinsam eine Platte. Das Projekt von Jochen Arbeit, Günter Schickert und Schneider TM nennt sich ASS. Was bei den Namen der drei Musiker einigermaßen Sinn ergibt, aber man darf vermuten, dass diese auch Spaß daran hatten, als sie den Bandnamen erdachten.

Man hat es hier mit einer Art Berliner Supergroup zu tun. Günter Schickert hat in den Siebzigern ein paar unvergessene Krautrockplatten veröffentlicht. Jochen Arbeit ist Mitglied der Einstürzenden Neubauten, der wichtigsten Berliner Band der Achtziger. Schneider TM macht seit den Neunzigern alles Mögliche zwischen Rock und Improv.

Wenn drei derartige Hochkaräter, die jeweils für bestimmte Epochen Berliner Musikgeschichte stehen, zusammenkommen, droht Gefahr, dass die Sache etwas zu ausgedacht wirkt. Zu sehr Goethe-Institut vielleicht. Sich deswegen ASS zu nennen, dient als Signal an den Rezipienten: Hey, nimm die ganze Angelegenheit bitte locker, wir tun das auch.

Man muss keine Angst haben, dass hier drei Gitarristen versuchen würden, sich mit großem Eifer gegenseitig an die Wand zu gniedeln. Erinnert sei etwa an die Platte „Friday Night in San Francisco“, dieses berühmte Gipfeltreffen von begnadeten Zupfvirtuosen und Geschwindigkeitsfanatikern. Arbeit, Schickert und Schneider TM hatten ungefähr das genaue Gegenteil eines solchen Werks im Sinne.

Die Aufgabenstellung schien eher gewesen zu sein, die Gitarren so zu spielen, dass diese kaum mehr wahrnehmbar sein würden. Dieses oder jenes Schabgeräusch zwischen den verfremdeten Trompetenklängen könnte von einer Gitarre stammen, denkt man sich dann als Hörer, vielleicht hat aber auch einfach nur jemand eine Bierflasche gegen das Mikro gehauen und den entstandenen Klang durch ein Effektgerät gejagt. „Friday Night in Berlin Wedding“ sozusagen.

So wenig Gitarre von gleich drei Gitarristen gab es jedenfalls selten. Umso mehr wird auf allerlei anderem Krimskrams wie Balafon und Mbira herumgeklöppelt. Man hört sehr viel Krautrock raus, dieses typisch Sphärische und Weltmusikartige. Aber auch die Lust der Neubauten daran, alles Mögliche zur Klangerzeugung zu verwenden. Die Neubauten begriffen in ihren Anfangsjahren auch Betonmischer als Instrumente, Jochen Arbeit verwendet heute „Objects“, darunter kann man auch besagte Bierflasche verstehen. Und irgendwann gibt es auf dem Album sogar reinen Elektronik-Ambient zu hören.

Hintergrund und Geschichte der drei Musiker klingen auf der Platte somit durch. Und man wird gewahr, dass Krautrock, Postpunk und die Elektronik von heute schon immer die Neugier auf ungewöhnliche Klänge und Soundexperimente teilten. Dass all diese Genres mehr verbindet, als man vielleicht dachte. Diese Erkenntnis klingt zwar doch nach Goethe-Institut, aber man kann sich immerhin sicher sein, dass Jochen Arbeit, Günter Schickert und Schneider TM darüber sowieso nur ausgiebig lachen werden. Andreas Hartmann

Arbeit, Schickert, Schneider: „ASS“ (Bureau B)