EMtaz: Die Ukrainer und die Euro: In der Visum-Warteschleife

Viele ukrainische Fussballfans wurden von der französischen Botschaft wochenlang hingehalten, um den Sichtvermerk zu bekommen.

Ein Junge hält EM-Karten in der Hand

Doch noch ein Visum ergattert: der achtjährige Wladimir Bobentschik Foto: dpa

KIEW taz | Wenn am Sonntag die deutsche gegen die ukrainische Nationalmannschaft bei der Fußball-EM antritt, wird auch der bekannteste Fan der ukrainischen Mannschaft, der achtjährige Wladimir Bobentschik, im Stadium sitzen. Seinen ersten Sieg hat der Junge schon errungen – gegen die französische Bürokratie.

Denn zunächst hatte das französische Konsulat den Visaantrag von Bobentschik und seinen Eltern abgelehnt. Diese hätten es versäumt, so das Konsulat in einem Schreiben an die Familie Anfang Juni, den Zweck der Reise anzugeben. Sofort nach Eingang des Schreibens hatte sich der 8-jährige an seinen PC gesetzt und die ukrainische Fan-Szene auf seiner Facebook-Seite über sein Problem informiert. Innerhalb von Tagen sicherten ihm Nationalspieler und Politiker ihre Unterstützung zu. Am Dienstag Abend erhielten die Bobentschiks dann doch noch ihr Visum.

Wütend über die französischen Behörden sprach Mariana Bobentschik, die Mutter des Fans, gegenüber ukrainischen Medien von einer „aggressiven Position“ des französischen Konsulates. Ihr sei unverständlich, wie die französische Konsulin habe sagen können, ihre Familie habe „ernsthafte Probleme mit den Papieren“, wo man doch alle erforderlichen Dokumente eingereicht habe.

Ihre Familie, so Mariana Bobentschik, sei kein Einzelfall. Sie kenne mehrere Personen, deren Visaantrag schon vor einem Monat abgelehnt worden sei. „Doch die Ukrainer sind auch Europäer, und wir wollen zu einem europäischen Fußballfest, nicht zu einem französischen.“

Warten auf die Papiere

Wenige Tage nach Bubentschiks Facebook-Post protestierten mehrere Dutzend ukrainischer Fußballfans vor dem französischen Konsulat in Kiew gegen dessen ihrer Auffassung nach rigorose Visavergabepraxis. Hundert Fans, so die Demonstranten, hätten bereits einen ablehnenden Bescheid der Visastelle erhalten. Tausende würden immer noch auf die Papiere warten.

Eine Sprecherin der französischen Botschaft sprach gegenüber der taz von „Einzelfällen“. Man habe wegen der Europameisterschaft eine erhöhte Zahl von Visanträgen vorliegen. Aber man habe rechtzeitig vor der EM zwei weitere Schalter im Konsulat für Visaanträge von Fußballfans eingerichtet. Einige Journalisten würden hier eine Kampagne machen und mit Fällen arbeiten, deren Details sie gar nicht kennten. „Von allen Visaanträgen zur Europameisterschaft haben wir 2 Prozent abgelehnt“ so die Sprecherin.

Der ukrainische Journalist Sergej Sidorenko hält die Zahl von zwei Prozent für untertrieben. Es gebe sehr viele „verdeckte Ablehnungen“. Viele Fans, die seit Wochen keine Antwort von der Visastelle erhalten haben, würden immer noch auf ein Visum hoffen. Das ganze Ausmaß des Skandals, so der Journalist, werde man wohl erst Tage nach Beginn der Meisterschaft sehen können. Auch ein sehr spät ausgestelltes Visum sei letztendlich eine Ablehnung. Was nütze schon ein Visum, das erst nach dem gebuchten Flug gültig sei, so Sidorenko.

Für viele Beobachter in der Ukraine passt die gebremste Visaerteilung bei der Europameisterschaft zu einer allgemeinen neuen Zurückhaltung bei der Praxis der Visaerteilung und der lange erwarteten allgemeinen Visafreiheit für die EU. So seien inzwischen viele europäische Staaten rigoroser in der Visaerteilung geworden. Ein Reporter des Internet Portals „Insider Life News“ musste sich vor wenigen Tagen vom ungarischen Konsulat sagen lassen, er möge doch seine Unterlagen für eine Visaerteilung am 12. August vorbeibringen.

Gleichzeitig registriert man mit Enttäuschung in der Ukraine, dass die für Sommer erwartete Visafreiheit mit der europäischen Union erneut aufgeschoben aufgeschoben wurde. Vor Herbst, so die Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“, sei mit einer Visafreiheit nicht zu rechnen.

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