Willkommenskultur in Bielefeld: Ruhe bitte oder wir schießen!

„Wer hier meckert wird erschossen!“ So wurden bisher Asylsuchende in Bielefeld begrüßt. Die Urheber des Schildes bleiben unerkannt.

Ein Schild mit der Aufschrift: "Wer meckert, wird erschossen."

Das Portrait des Mitarbeiters mit der Bommel-Mütze hätte doch gereicht Foto: Flüchtlingshilfe Lippe e.V.

BERLIN taz | Die gute Nachricht: Bielefeld exisitiert tatsächlich. Mit einem kleinen Din-A4-Schild hat die zentrale Ausländerbehörde der Stadt nun den Beweis schwarz auf weiß geliefert. Wer aber schon den altbackenen Partywitz, die CIA, der Mossad oder Außerirdische hätten den Bielefake in die Welt gesetzt, nicht lustig fand, wird jetzt besonders enttäuscht sein. „Wer meckert, wird erschossen!“: Mit diesem Warnschild wurden Asylbewerber noch bis vor wenigen Tagen im Empfangsraum der Behörde begrüßt. Ohne Witz.

Den Beleg für dieses Schild lieferte ein Foto, das der Flüchtlingshilfe Lippe in Detmold zugespielt wurde. Lina Droste, die Leiterin der Organisation, hatte sogleich eine Mitarbeiterin zur zentralen Ausländerbehörde geschickt, um die Büroräume zu überprüfen. Dort fand sie den geschmacklosen Warnhinweis an einer Glasscheibe, hinter der die Angestellten eintreffende Flüchtlinge registrieren und an Erstaufnahmeeinrichtungen vermitteln. „Mir ist es unerklärlich, wie hier solch ein menschenverachtendes Schild hängen kann“, sagt die Leiterin der Flüchtlingshilfe Lippe.

Droste sieht in der Androhung, mit „meckernden“ Asylsuchenden kurzen Prozess zu machen, einen Skandal mit Symbolcharakter. Besonders durch die rechtliche Konstruktion sogenannter sicherer Herkunftsstaaten sei es bereits systematisch angelegt, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität der Schutz vor Verfolgung pauschal verwehrt wird, kritisiert die Aktivistin. „Wer meckert, wird erschossen!“: Vor diesem blutigen Gesetz sind viele Asylbewerber aus ihrer Heimat überhaupt erst nach Deutschland geflohen.

Die Stadt Bielefeld bringt das in Erklärungsnot. Ein Bericht der Neuen Westfälischen hatte den Fall am Freitag bekannt gemacht und im Netz einen Sturm der Empörung losgetreten. Der Leiter der Einrichtung, Thorsten Böhling, zeigte sich zunächst unwissend. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein derartiges Schild in seiner Behörde hinge, sagt er der Lokalzeitung. Falls doch, werde das Plakat am Montagmorgen vor Öffnung der Behörde beseitigt. Schließlich würde am Wochenende ohnehin kein Mensch das Schild mehr sehen.

Beatrix von Storch lässt grüßen

„Keine Frage: Das Schild ist unmenschlich und geschmacklos“, sagt Gisella Bockermann, Pressesprecherin der Stadt, auf Nachfrage der taz. Sie ist sich der Brisanz dieses Warnschilds bewusst. Bielefelder Flüchtlingshelfer kritisierten, der Spruch spiegele die aktuelle rassistische Realität in Deutschland wider: So fordern auch Rechtspopulisten wie Beatrix von Storch, dass auch an deutschen Grenzen von Schusswaffen Gebrauch gemacht wird.

Bockermann legt daher Wert auf die Feststellung, dass der Spruch bereits am Freitag entfernt worden sei. Das Warnschild „Wer meckert, wird erschossen!“ rücke das ZAB aus ihrer Sicht in ein völlig falsches Licht, da die Angestellten bislang alle einen „sensibilisierten“ Umgang mit Asylbewerbern gezeigt hätten. WelcheR MitarbeiterIn sich aber mit diesem wenig emphatischen Spruch als schießwütiger Asylgegner geoutet hat, sei nach wie vor nicht geklärt. Und wie aus Bockermanns Worten hervorgeht, outet sich Bielefeld als Stadt, in der solche Geheimnisse gut aufgehoben sind: Denn mit personellen Konsequenzen muss der oder die TäterIn wohl nicht rechnen.

Ein runder Tisch mit den Angestellten am Montagmorgen habe jedenfalls wenig Aufklärung gebracht: „Da hat natürlich keiner seinen Finger gehoben“, sagt die Pressesprecherin. Nun wolle man auch die Angestellten eines Sicherheitsdienstes befragen, die den Empfangsraum außerhalb der Bürozeiten besetzen. Die Sprecherin der Stadt zeigt jedoch wenig Hoffnung: „Der Konsequenz, einen Mitarbeiter personalrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, werden wir nicht nachkommen können.“ Damit sich ein derartiger Vorfall nicht mehr wiederholt, schlägt sie vor, „einfach genauer hinzusehen.“ Das wäre keine schlechte Idee: Wie lange das Schild bereits in der Empfangshalle hing, kann nämlich keiner der Angestellten sagen.

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