Verfassungsbedenken bei Gesetzesnovelle: Erbschaftsteuer droht das Scheitern

Die CSU hat im neuen Gesetz Vergünstigungen für Firmenerben durchgsestzt. Nun will Rot-Grün es im Bundesrat blockieren.

Auf einem Blatt Papier steht "Bescheid über Erbschaftssteuer"

Künftig sollen da weniger Privilegien drin stehen. Aber passiert das wirklich? Foto: dpa

BERLIN taz | Der Koalition droht bei der Erbschaftssteuer eine Blamage. Anfang der Woche hat sie nach eineinhalbjährigem Streit ein Gesetz vorgestellt, das die Besteuerung von reichen Firmenerben neu regeln soll. Jetzt melden mehrere rot-grüne Bundesländer erhebliche Zweifel an, ob das Gesetz der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts genügt. Dem Kompromiss, bei dem die CSU Begünstigungen für Firmenerben durchgesetzt hatte, droht nun eine Blockade im Bundesrat.

Kritik kommt etwa aus Nordrhein-Westfalen. Mit CDU und CSU sei eine gerechte Erbschaftsteuer nicht zu machen, sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) am Mittwoch der taz. „Wenn Millionenerbschaften von Unternehmenserben künftig zum Teil nur halb so hoch versteuert werden müssen wie nach der bisherigen, vom Verfassungsgericht als zu günstig verworfenen Regelung, dann ist stark zu bezweifeln, dass das Gesetz verfassungskonform ist.“

Ähnlich hatte sich zuvor NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geäußert. Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) kritisierte, dass der Gesetzentwurf große Erbschaften von Unternehmensvermögen „weiterhin sehr weitreichend“ privilegiere. „Eine Kernforderung des Bundesverfassungsgerichts besteht aber darin, die Überprivilegierung betrieblichen Vermögens abzubauen“, sagte Schneider der taz. Auch Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) äußerte sich kritisch. Die Verfassungsfestigkeit sei „außerordentlich zweifelhaft“, sagte er. „Es sind durch die Kampagne der egoistischen Interessenverbände zu viele Sonderprivilegien für Reiche und sehr Wohlhabende in den Gesetzentwurf aufgenommen worden.“ Das schade dem Zusammenhalt im Land.

Die CSU hatte auf weit reichende Privilegien für reiche Erben gepocht. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Frühjahr 2015 eine Freigrenze von 20 Millionen Euro vorschlug, liegt sie nun bei 26 Millionen Euro. Außerdem bekommen Familienbetriebe einen zusätzlichen Freibetrag von 30 Prozent des Betriebsvermögens. Käme die Reform, müssten weniger als zwei Prozent aller Firmenerben die Steuer zahlen.

Die Koalition braucht in der Länderkammer die Stimmen von drei großen, von Grünen mitregierten Ländern für eine Mehrheit. Der Bundestag soll das Gesetz am Freitag beschließen, der Bundesrat tagt am 8. Juli. Wenn sich keine Mehrheit findet, wird es in den Vermittlungsausschuss überwiesen.

Eine Kluft in der SPD

Bei der SPD tut sich eine Kluft zwischen der Bundesspitze und manchen Ländern auf. SPD-Chef Sigmar Gabriel lobte den Kompromiss als Element, um der ungleichen Vermögensverteilung entgegenzuwirken. Dem widersprechen nun seine Parteifreunde in den Ländern. Gabriel habe wichtige Zugeständnisse herausgeholt, sagte Walter-Borjans. Es gebe aber keinen Anlass, „das Ergebnis von schwer erträglichem Lobbyismus, vor allem mit Hilfe der CSU, zufrieden zur Kenntnis zu nehmen.“

Auch bei den Grünen ist die Empörung groß. Die Ökopartei will das Gesetz im Bundestag ablehnen. Sie verfügt im Bundesrat über eine Sperrminorität, weil sie in zehn Ländern mitregiert. Während die Mittelschicht die Erbschaftsteuer zahle, blieben ganz hohe Vermögen verschont, kritisierte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Entwurf im Bundesrat eine Mehrheit findet.“

Auch Länder-Grüne äußern sich skeptisch. „Ich habe krasse Zweifel, dass der Vorschlag der Koalition zur Erbschaftssteuer der Rechtsprechung von Karlsruhe genügt“, sagte Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck der taz. Andere halten sich bedeckt. Ein Sprecher von Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann sagte lediglich, das Gesetz werde geprüft.

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