Enbridge-Projekt in Kanada gestoppt: Keine Pipeline im Land der Haida

Mit der Northern-Gateway-Pipeline wollte die Ölindustrie die Förderung von Ölsanden ausweiten. Nun hat ein Gericht sie gestoppt – wohl für immer.

Ein Schild steht auf einem Feld

Der Gegner: eine Pipeline des Enbridge-Konzerns (Symbolbild) Foto: reuters

VANCOUVER taz | Peter Lantin ist der Präsident der Haida-Ureinwohner in Kanada. Er wohnt auf einer sturmgepeitschten Inselgruppe an der Pazifikküste und kämpft seit Jahren gegen eines der ehrgeizigsten Energieprojekte des Landes: die Northern-Gateway-Pipeline. Die acht Milliarden Dollar teure Doppelröhre soll einmal Schweröl aus den Teersandgebieten Kanadas zur Küste transportieren – und den Ölkonzernen damit lukrative neue Märkte in Asien sichern.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen – und Peter Lantin kann erst mal aufatmen. Am Donnerstag gab ein Berufungsgericht in Kanada einer Klage der Haida und weiteren indigenen Völkern gegen die Pipeline statt und hob die vor zwei Jahren erteilte Baugenehmigung der Regierung wieder auf. „Das ist der Sargnagel für die Pipeline“, ist sich Peter Lantin sicher.

Das Gericht war zur Überzeugung gelangt, dass die ehemalige konservative Regierung die Belange der indigenen Bevölkerung bei der Genehmigung der Pipeline im Jahre 2014 nicht ausreichend beachtet hat. In Kanada haben Ureinwohner bei allen wichtigen Industrieprojekten, die ihr traditionelles Territorium berühren, ein verfassungsrechtliches Recht auf Mitsprache und Anhörung. Diesem aber habe der Staat in diesem Fall nicht genüge getan, einen ernsthaften Dialog mit den Ureinwohnern habe es nicht gegeben, schrieben die Richter in ihrem Urteil.

Damit die Pipeline doch noch gebaut werden könnte, müsste die neue kanadische Regierung unter dem liberalen Premierminister Justin Trudeau den Anhörungsprozess jetzt neu aufrollen oder das Urteil vor dem Obersten Gericht anfechten. Beobachter halten das für unwahrscheinlich, denn Trudeau hatte sich im Wahlkampf letzten Herbst explizit gegen die Pipeline ausgesprochen und sogar ein Öltankerverbot für die nördliche Pazifikküste versprochen. Ein Regierungssprecher deutete am Donnerstag bereits an, dass Trudeau das Urteil womöglich nicht mehr anfechten werde.

Für die Industrie wäre das ein herber Rückschlag, denn die vom Enbridge-Konzern geplante 1.200 Kilometer lange Pipeline ist für sie von großer Bedeutung. Die Doppelröhre sollte ab dem Jahre 2018 rund 525.000 Barrel Schweröl pro Tag aus dem Landesinneren zum Pazifik transportieren. Nahe Kitimat, einer kleinen Gemeinde am Ende eines schmalen Fjords, sollte der Rohstoff dann in Tanker gepumpt und nach Asien verschifft werden, vor allem nach China.

Angst vor der Ölpest

Damit wollte die Industrie die weltweit umstrittene Förderung von klimaschädigenden Ölsanden drastisch ausweiten. Zuletzt gewann Kanada aus dem Rohstoff etwa 1,9 Millionen Barrel Öl pro Tag, also gut 300 Millionen Liter. Dieses Volumen wollte Kanada in den nächsten zehn Jahren verdoppeln: bis 2020 auf 3,2 Millionen, bis 2025 auf vier Millionen Barrel. Das Nein der Richter wiegt umso schwerer, da auch die sogenannte Keystone XL Pipeline derzeit auf Eis liegt. US Präsident Barack Obama hatte die Röhre, die kanadisches Öl einmal bis an den Golf von Mexiko bringen sollte, aus Klimaschutzgründen nicht genehmigt.

Für Indigene wie Peter Lantin ist das Urteil dagegen ein wichtiger Sieg. Sie befürchten für den Fall des Baus von „Northern Gateway“ eine Ölpest, denn die Pipeline würde den Tankerverkehr in der Region rund um den schützenswerten „Great Bear Rainforest“ an der Westküste Kanadas drastisch erhöhen. Schätzungen gehen von rund 250 Tankern pro Jahr aus. Bei vielen Kanadiern weckt das Erinnerungen an den Unfall der „Exxon Valdez“ vor Alaska vor gut 25 Jahren. 1989 war der Tanker auf Grund gelaufen und hatte 40 Millionen Liter Rohöl verloren – es war die größte derartige Katastrophe in Nordamerika.

Die Bewohner der kanadischen Küstenprovinz British Columbia lehnen die Pipeline daher mit großer Mehrheit ab, ebenso viele renommierte Wissenschaftler. Auch die Bürger von Kitimat hatten in einem Referendum mit Nein gestimmt. Mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne hatten viele Kanadier die Klage von Peter Lantin unterstützt. Offenbar mit Erfolg.

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