AKW-Schrottplatz dringend gesucht: Atom-Pakt zwischengelagert

In Schleswig-Holstein gibt es Streit bei der Suche nach einem AKW-Schrottplatz. Ist der Schutt radioaktiv oder nur „emotional belastet“?

Sollen einmal in einem Endlager entsorgt werden: Fässer mit Atommüll Foto: Carsten Rehder/dpa

KIEL taz | Einen Pakt wollte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck schmieden: Atomkraftwerksbetreiber und Naturschützer, Abfallwirtschaft und Gemeinden sollten gemeinsam beschließen, wie der Bauschutt aus den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel sowie dem Forschungsreaktor in Geesthacht untergebracht wird. Mit viel persönlichem Einsatz warb der Grünenpolitiker für diesen Plan – doch nach einem Abschlusstreffen mit Umwelt- und Kommunalverbänden sowie Bürgerinitiativen der betroffenen Gemeinden ist weiter alles offen. Die Beteiligten sind sich nicht einmal einig, ob die Gespräche gescheitert oder unterbrochen sind. Klar ist nur: Bis Herbst wird Habeck wohl keine Lösung präsentieren.

Von einem „Abbruch der Gespräche“ spricht Keno Basedow von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll nach Schönwohld“. „Wenn Dr. Habeck unter demokratischer Mitbestimmung lediglich versteht, dass wir die Farbe der Abfallsäcke und die Ecke der Deponie mitbestimmen dürfen, ist das nicht unsere Veranstaltung“, sagt er. Habeck hingegen ist davon überzeugt, dass der Dialog weitergeht. Er warte nun auf ein Signal der kommunalen Spitzenverbände: „Schließlich liegt die Abfallentsorgung in der kommunalen Verantwortung – wir moderieren bloß“, sagt Habeck.

Aber Jörg Bülow, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetages, sieht keinen Grund, überstürzt zu handeln: „Man kann nicht erwarten, dass wir etwas unterschreiben, das die betroffenen Gemeinden nicht wollen. Schließlich vertreten wir deren Interessen.“

Bei dem Streit geht es um den Schutt, der entsteht, wenn die AKWs abgebaut werden. Rund 300.000 Tonnen Masse umfasst der schwarze Klotz in Brunsbüttel, rund 550.000 Tonnen das weiße Kraftwerk Krümmel. Während die strahlenden Abfälle wie Brennstäbe darauf warten, dass ein Endlager gefunden ist, werden andere Teile auf ihre radioaktive Belastung geprüft und nach einer mehrstufigen „Freimessung“ als normaler Schutt deklariert. Was sich recyclen lässt, etwa Metall, wird in den Kreislauf zurückgegeben. Übrig bleibt ein vergleichsweise kleiner Berg für die Deponien – die Rede ist von rund 35.000 Tonnen, gestreckt über 20 Jahre.

Strahlung nur eingebildet?

Die kritische Frage lautet jedoch: Ist der Müll tatsächlich frei von Strahlung, also nur „emotional belastet“, wie die Fachleute der Atomaufsicht versichern? Oder tragen die Brocken doch ein unsichtbares Risiko, wie die Bürgerinitiativen befürchten?

Mit einer Antwort darauf tun sich auch die Umweltverbände nicht leicht. Das sogenannte Zehn-Mikrosievert-Konzept – eine Strahlendosis, die für die Befürworter des Konzepts als risikolos und nicht mehr nachweisbar gilt – sehen die Verbände kritisch. „Dennoch wollen wir im Gespräch bleiben und eine Lösung finden“, sagt Ole Eggers, BUND-Landesgeschäftsführer.

Er fordert, dass der Müll auf den Deponien gesondert gelagert werden muss. „Nicht vermischt mit anderem Müll, sondern rückholbar, wenn es neue Erkenntnisse gibt.“

Habeck will den Müll hinter sich lassen

Der Umweltschützer zieht unter dem Strich ein positives Fazit des Treffens. „Alle Seiten haben deutlich erklärt, dass sie bereit sind, Verantwortung für den Atommüll und den Bauschutt zu übernehmen.“ Dafür sei aber „ein ergebnisoffener Dialog auf Augenhöhe“ notwendig. „Wir sollten uns genügend Zeit nehmen, um alle Befürchtungen der Betroffenen angemessen berücksichtigen zu können.“

Ähnlich äußern sich auch die anderen Beteiligten. Das enge Zeitfenster sei „nicht nachvollziehbar“, schreibt die Bürgerinitiative „Kein Atommüll nach Schönwohld“ in einem offenen Brief an den Minister. Schon wird in Gesprächen die Mutmaßung laut, Habeck möchte das sperrige Müllthema aus dem Weg haben, bevor er sich ab September der parteiinternen Urwahl um die Spitzenkandidatur im Bundestagswahlkampf stellt.

Der Minister weist das zurück. „Niemand würde es bei anderen Abfällen akzeptieren, wenn über Monate keine Entsorgung möglich wäre.“ Zurzeit verweigern die Deponien bundesweit, den Kraftwerksschrott anzunehmen. „Ein unhaltbarer Zustand, der rasch beseitigt werden muss“, sagt Habeck. Der letzte Ausweg wäre ein Erlass, mit dem das Land den Abfall einer Deponie zuweist. „Denn entsorgt werden muss er ja.“

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