Leitsubjekt statt Lustobjekt

Konzert Eine Frau gibt den Ton an: Beyoncé begeisterte am Freitag im Frankfurter Stadion

Hurtige Kostümwechsel: Beyoncé in Frankfurt Foto: Foto:13thWitness/ap

Er sprudelt feuerrot wie ein Vulkan, der zwanzig Meter hohe LED-Quader auf der Bühne im Frankfurter Stadion, als Beyoncé und zwei Dutzend Tänzerinnen mit überdimensionierten Westernhüten die Mainstage entern. „Okay, ladies, now let’s get in formation“, heißt es im Opener, Beyoncés politisches Statement für dieses Jahr, wie gemacht für die selbstbewusste Black-Lives-Matter-Bewegung.

Für den Song bekam Beyoncé Contra, weil er feindselig gegenüber der von Weißen dominierten Polizei sei. Dieser Song war es auch, mit dem Beyoncé im Februar beim Super Bowl in den USA ihre „Formation“-Welttournee bekannt gab, die sie nach Düsseldorf und Frankfurt (nicht aber nach Berlin) führte.

In Formation sind die Ladys beim Frankfurter Auftritt allemal, wenn sie voller Verve mit Beyoncé (einer selbst überragenden Tänzerin) über den gigantischen Catwalk steigen und steppen. Der erste von sechs Akten schließt mit „Run the World (Girls)“, einem feministischen R ’n’ B-Electropopper. Nach jedem Akt dreht sich der mit Videos bespielte LED-Quader.

Unglaublich, wie rasch die Kostümwechsel vonstatten gehen: Gefühlt dauert es nie länger als eine Minute, bis Beyoncé etwa statt weißem Perlenkostüm roten Latex trägt. Schwer zu leugnen, dass das auch sexy ausschaut, aber Beyoncé, die durchweg bezaubernd lacht, inszeniert sich nicht als Lustobjekt, sondern als Leitsubjekt: Hier ist eine Frau, eine Woman of Color, die den Ton angibt. Spätestens beim A-capella von „Love on Top“ hat auch wirklich jede*r kapiert, dass diese Frau in einer Liga intoniert, die für sich steht.

„Lemonade“ heißt das in diesem Jahr erschienene Album. Limonadensüß? Aber eben auch limonadensauer. Es schäumt mitunter vor Wut auf eine ungerechte Welt. Beyoncé spielt nur sieben der zwölf neuen Songs, und es erstaunt, wie gut sich die viel gepriesene Politisierung von Beyoncé doch einfügt in ihr Gesamtwerk – bis zurück zum Destiny’s-Child-Megahit „Survivor“ von 2001, den Be­yon­cé in Frankfurt stark verkürzt ins Feld führt.

Direkt nach dem R ’n’ B-Rocker „Freedom“, der leider (anders als auf der Platte) ohne Rapper Kendrick Lamar auskommen muss. Die per Catwalk mit der Mainstage verbundene Vorbühne wurde derweil, quasi unbemerkt, mit Tausenden von Litern Wasser geflutet, durch das Beyoncé barfuß tanzt.

Auf dem Weg nach draußen vermissten einige der jungen Frauen in ihren Cliquen (es waren vergleichsweise wenige Heteropaare zugegen) bloß den Partyüberflieger „Single ­Ladies“. Beyoncé ist eben kein Single mehr. Eine Lady? Aber hallo!

Stefan Hochgesand