Hamburgs Handelskammer hortet: Fragwürdige Rücklagen

Rund 40 Millionen Euro hat die Handelskammer allein an Rücklagen auf dem Konto liegen. Statt das Geld an die Mitglieder auszuschütten, verplant es die Kammer.

Angestoßen wird in der Hamburger Handelskammer gern: Nicht nur auf die millionenschweren Rücklagen auf dem Konto. Foto: Angelika Warmuth/dpa

HAMBURG taz | Auf dem Konto der Handelskammer liegen rund 40 Millionen Euro – allein an Rücklagen. Das ergab eine Anfrage der parteilosen Bürgerschaftsabgeordneten Dora Heyenn. Die Kammer finanziert sich über die Beiträge ihrer Mitglieder (siehe Kasten). Dass die Interessenvertretung Vermögen zurückhalte, statt es über Beitragssenkungen an die Unternehmer in der Handelskammer zurückzugeben, kritisiert der Bundesverband für freie Kammern (BFFK). Die nun veröffentlichte Summe zeige die „Dreistigkeit und Unverfrorenheit der Hamburger Handelskammer“, sagt BFFK-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus.

Dem Gesetz nach muss sich die Kammer „nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung“ richten. Das beinhaltet, dass sich die Handelskammer zwar durch Mitgliedsbeiträge finanzieren soll, allerdings nur wenn ihre Kosten „nicht anderweitig gedeckt sind“.

Boeddinghaus, der mit seinem Verband fordert, dass die Mitgliedschaft von Selbstständigen in Kammern künftig freiwillig ist, findet, dass die Mitglieder entlastet werden müssten. „Die Kammern sollten nur so viel Geld nehmen, wie sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen“, sagt Boeddinghaus. „Aber daran haben sich die Hamburger seit Jahren nicht gehalten.“

Die Handelskammer weist die Kritik zurück und schließt die Senkung der Mitgliedsbeiträge aus. Die 40 Millionen Euro seien zum großen Teil verplant, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Ulrich Brehmer. Allein 28 Millionen Euro seien für Pensionszahlungen für Mitarbeiter der Handelskammer vorgesehen. Hinzu kommen etwa Gelder für die Instandhaltung des denkmalgeschützten Gebäudes in der Innenstadt. Nur sechs Millionen Euro seien noch nicht zweckgebunden, sagt Brehmer. „Damit sollen Schwankungen ausgeglichen werden.“ Schließlich könne es sein, dass weniger Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge herein kämen.

In der Handelskammer Hamburg sind etwa 150.000 Unternehmen organisiert.

Die Mitgliedschaft ist für die Selbstständigen nicht freiwillig und der Jahresbeitrag beträgt 347 Euro pro UnternehmerIn.

Die Kammern beraten Unternehmen, sollen deren Interessen gegenüber Politik und Verwaltung vertreten und bilden Menschen aus und weiter.

Wo Interessenvertretung aufhört und Einmischung anfängt, wird gerade vor dem Hamburger Verwaltungsgericht verhandelt. Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer muss sich wegen seiner umstrittenen Silvester-Rede von 2014 verantworten, in der er vom Senat „Klartext“ in der Flüchtlingsdebatte, mehr „Führung“ und weniger Volksentscheide forderte.

Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sie dazu verpflichtet, sparsam zu haushalten.

Das Verwaltungsgericht hatte die Rücklagen bereits im März kritisiert. Damals hatte ein Unternehmer gegen Beitragszahlungen in den Jahren 2010 und 2013 geklagt, weil die Kammer genügend Rücklagen hatte. Das Gericht gab dem Kläger Recht, weil nicht klar war, welche konkreten Maßnahmen wann und mit welchem Mittelbedarf geplant waren. Die Handelskammer will in Berufung gehen.

Boeddinghaus kritisiert die Wirtschaftsbehörde. Die komme ihrer Aufsichtspflicht nicht nach. Aus der Antwort auf die kleine Anfrage geht hervor, dass es in den vergangenen zehn Jahren trotz öffentlicher Kritik keine Beanstandungen an der Arbeit der Handelskammer gab. Für Boeddinghaus hängt das eng mit Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zusammen, früher selbst Präses der Handelskammer: „Unter seiner Verantwortung wurde genau diese Form der rechtswidrigen Vermögensbildung geduldet.“

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