Schadstoffe in Niedersachsens Grundwasser: Gift und Gülle verschmutzen das Wasser

Niedersachsens Flüsse und Seen sind hochgradig mit Schadstoffen belastet – damit auch das Grundwasser. Der Hauptverursacher ist die Landwirtschaft

Viel Dünger auf dem Acker: Stickstoff uns Phosphat sickern in Niedersachsen Böden und Gewässer Foto: dpa

HAMBURG taz | Das Grundwasser in Niedersachsen ist stark belastet. 44 von 90 Grundwassersystemen im Agrarland Niedersachsen sind in einem schlechten chemischen Zustand. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage des niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald (Grüne) hervor. Auch fast alle Flüsse und Seen sind in einem mäßigen (27 Prozent), unbefriedigenden (44 Prozent) oder schlechten (24 Prozent) Zustand. Lediglich zwei Prozent weisen einen ökologisch guten Zustand auf. Hauptursache seien „Belastungen durch Nitrat aus der Landwirtschaft“, so die Bundesregierung.

Jetzt müsse „endlich eine wirkliche Agrarwende erfolgen, um die Umwelt zu schützen und die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten“, sagt Meiwald. Außerdem müsse der Bund eine verschärfte Düngemittelgesetzgebung erlassen, „die auch dem Gewässerschutz dient“.

Fast alle Gewässer in Niedersachsen sind durch Stickstoff­einträge aus der Landwirtschaft mit Nitraten und Phosphaten belastet, in einigen Regionen kommen erhöhte Konzentrationen an Pflanzenschutzmitteln hinzu, vor allem in Flüssen aus dem Harz finden sich zudem immer noch große Mengen an Schwermetallen wie Blei, Cadmium und Quecksilber aus dem ehemaligen Bergbau. In der Summe sind vor allem die drei großen Flüsse Elbe, Weser und Ems sowie ihre Mündungsgebiete in der Nordsee hoch belastet (siehe Kasten).

Auswirkungen auf das Trinkwasser seien jedoch „nur sehr selten zu erwarten“, behauptet die Bundesregierung. Zum einen werde dieses in tiefliegenden Schichten gefördert, während die Belastungen hauptsächlich in oberflächennahen Wasserleitern nachzuweisen seien. Zudem müsse Trinkwasser in einwandfreiem chemischen Zustand sein, der regelmäßig überwacht werde. Tiefliegende wasserführende Schichten seien „noch weitgehend frei von Nitrat“, deshalb sei „eine Gefährdung zum jetzigen Zeitpunkt in der Regel nicht zu befürchten“, formuliert die Bundesregierung ausweichend.

Für die Belastung der Flüsse mit Stickstoff gilt in Niedersachsen ein Grenzwert von 2,8 Milligramm pro Liter (mg/l). Die Realität sah 2014 folgendermaßen aus:

Ems: 5,4 mg/l; Elbe und Weser: je 3,3 mg/l.

Die ökologische Bewertung der Küstengewässer 2008 und 2014: Wattenmeer Jadebusen: 2008 mäßig – 2014 unbefriedigend.

Westliches Wattenmeer Weser: mäßig–unbefriedigend.

Östliches Wattenmeer Weser: mäßig–unbefriedigend.

Offenes Küstengewässer Weser: mäßig–unbefriedigend.

Offenes Küstengewässer Ems: mäßig–unbefriedigend.

Wattenmeer Ems: unbefriedigend–unbefriedigend.

Westliches Wattenmeer Elbe: unbefriedigend–unbefriedigend.

Die Mitgliedstaaten der EU müssen einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer nach Möglichkeit bis 2015, spätestens aber 2027, erreichen. Das fordert die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Grundwasser und Oberflächengewässer sollen demnach frei von Schadstoffen und zu vielen Nährstoffen sein. Im April hatte die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen Deutschland eingereicht, weil hier die EG-Nitratrichtlinie nicht umgesetzt werde und zu hohe Nährstoffeinträge in die Gewässer gelängen.

Nach Ansicht der grünen niedersächsischen Minister Stefan Wenzel (Umwelt) und Christian Meyer (Landwirtschaft) ist „die Nitratbelastung alarmierend und muss nachhaltig bekämpft werden“. Jährlich werden rund 80.000 Tonnen Stickstoff und etwa 30.000 Tonnen Phosphat zu viel in Böden und Gewässer eingebracht. Beide Ministerien sind sich einig, dass der Handlungsbedarf groß, „eine bundesweite Lösung aber noch nicht in Sicht“ sei.

Dass auch die Ostsee und viele Gewässer in Schleswig-Holstein zu hohe Konzentrationen an Nitrat und Phosphat aufweisen, hatte die Bundesregierung bereits vor zwei Monaten eingeräumt. Von 45 Gewässerproben vor der deutschen Ostseeküste waren 30 in einem unbefriedigenden oder schlechten Zustand. Beim Nitrat wie auch beim Phosphor wurden Grenzwerte teilweise deutlich überschritten, so ihre Antwort auf eine Anfrage der grünen Abgeordneten Valerie Wilms aus Pinneberg.

„Es wird in der Landwirtschaft viel zu viel gedüngt“, kommentierte Wilms, „das belastet nicht nur die Ostsee, sondern auch das Trinkwasser.“ Ihr Parteifreund Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Umwelt- und Landwirtschaftsminister, fordert deshalb vom Bund, das Ausbringen von Dünger auf den Feldern strenger zu regeln. Im Interesse des Gewässerschutzes und der Landwirte müsse eine Düngeverordnung „ohne Schlupflöcher“ her.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.