Ermittlungen gegen Bremer Politiker: SPD-Politiker: Betrugsverdacht

Der Bremer SPD-Abgeordnete Patrick Öztürk hatte stets beteuert, von den Geschäften seines Vaters nichts gewusst zu haben. Doch jetzt wird gegen ihn ermittelt.

Um mehrere hunderttausend Euro wurde das Jobcenter Bremerhaven betrogen Foto: Jens Kalaene/ dpa

BREMEN taz | Gegen den SPD-Abgeordneten Patrick Öztürk ermittelt seit Freitag die Bremer Staatsanwaltschaft. Die Bürgerschaft habe gestern vormittag seine Immunität aufgehoben, bestätigte Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen. „Es geht um Beihilfe zum gewerbsmäßigem Betrug.“

Öztürk soll gemeinsam mit seinem Vater das Bremerhavener Jobcenter um mehrere Hunderttausend Euro betrogen haben, indem sie Hunderten von BulgarInnen und GriechInnen Scheinarbeitsverträge besorgten. Nur wegen dieser Fake-Jobs konnten sie anschließend als Arbeitslose staatliche Unterstützung beziehen, die ihnen sonst als EU-BürgerInnen verwehrt geblieben wäre. Betroffen können bis zu 1.350 Personen sein. Gegen Öztürks Vater wird in dieser Angelegenheit bereits seit vergangenem Jahr ermittelt.

Patrick Öztürk hatte stets behauptet, von dessen mutmaßlichen Betrügereien nichts gewusst zu haben – obwohl er eine Zeit lang als zweiter Vorsitzender des Vereins „Agentur für Beschäftigung und Integration“ fungierte, über den die meisten der angeblichen Arbeitsverträge liefen.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Öztürk senior hätte sich jetzt ein Anfangsverdacht gegen den SPD-Abgeordneten ergeben, sagte Passade. Konkret: Das Geld, das die Scheinangestellten monatlich von ihrem Arbeitslosengeld an den Verein für dessen „Vermittlungsdienste“ zurückzahlen mussten, sei über das Konto seines Vaters an Patrick Öztürk geflossen.

Öztürk selbst wollte sich gestern nicht zu den Ermittlungen äußern. Er hatte auch in den vergangenen Monaten geschwiegen. „Uns hat er stets versichert, er habe damit nichts zu tun“, sagte gestern Matthias Koch, Sprecher der SPD-Fraktion. Wie sich die Fraktion jetzt zu den Vorwürfen verhalte, könne er nicht sagen. „Wir müssen die Ermittlungsergebnisse abwarten.“

Dass Patrick Öztürk als ehemaliges Vorstandsmitglied und Sohn des Haupttäters nichts von den Vereinsgeschäften gewusst haben wollte, hatte stets unwahrscheinlich geklungen. Unter anderem stand die Agentur für Beschäftigung und Integration auf Flyern, mit denen Öztürk 2015 im Wahlkampf für sich geworben hatte. Verteilt haben sollen diese Flyer zum Teil dieselben Personen, die bei seinem Vaters beschäftigt waren. Und im Mai teilte der Senat mit, „die Familie des Beschuldigten“ habe für angebliche Tätigkeiten von Selbstständigen Rechnungen ausgestellt.

Zum Hintergrund: Anfang April war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Vater von Patrick Öztürk wegen Sozialhilfebetrugs ermittelt. Öztürk senior war bis zu seinem Ausschluss wegen nicht gezahlter Mitgliedsbeiträge selbst SPD-Mitglied und hatte 2007 für die Stadtverordnetenversammlung kandidiert. Ende April berichtete Radio Bremen, dass der Verein auch nicht gegebene Hausaufgabenhilfe mit dem Jobcenter abgerechnet haben soll.

Als Folge der Ermittlungen verloren Hunderte Familien in Bremerhaven die staatliche Unterstützung. LehrerInnen berichteten, dass Kinder von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die Schule gekommen seien. Viele der Betroffenen, gegen die wegen Betrugs ermittelt wird, sollen in ihre Heimatländer zurückgekehrt sein.

Nach den bisherigen Erkenntnissen wurden die Menschen gezielt angeworben, ein großer Teil soll aus dem bulgarischen Varna stammen und einer türkischsprachigen Minderheit angehören.

Die beschuldigten Vereine sollen nicht nur Arbeitsverhältnisse beschafft haben, sondern auch Wohnungen. Für die Beratungstätigkeiten verlangte die Agentur für Beschäftigung Geld – anders als eine Beratungsstelle der AWO für osteuropäische Zuwanderer, die eigens für diese geschaffen worden war.

In Bremerhaven waren laut einem Bericht des Magistrats dem Jobcenter schon im Sommer 2014 „deutliche Strukturen beim verstärkten Zuzug“ aufgefallen. Strafanzeige stellte der Geschäftsführer des Jobcenters aber erst am 26. August 2015. Dreieinhalb Monate zuvor hatte es ein Gespräch mit der damaligen SPD-Stadträtin für Gesundheit gegeben, in der es um „Ungereimtheiten bei Arbeitsverhältnissen neuer EU-BürgerInnen“ ging.

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