Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus über linke Politik: „Nun muss das Geld fließen“

Die Fraktionschefinnen der Hamburger Linken, Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir, über Volksentscheide und ihre Nicht-Kandidaturen

„Weiter dicke Bretter bohren“: Hamburgs Linke weiß ums Dasein als Oppositionsfraktion Foto: Lukas Schulze/dpa

taz: Frau Boeddinghaus, Frau Özdemir, finden Sie, dass Sie sich Ihren Sommerurlaub redlich verdient haben?

Sabine Boeddinghaus: Ja, ich denke schon.

Cansu Özdemir: Wir haben gute Arbeit geleistet als Fraktion und dürfen uns jetzt mal erholen.

Dabei haben Sie doch gar nichts erreicht. Zu Beginn der Legislaturperiode nannten Sie als Schwerpunkte die soziale Stadtentwicklung und die Bekämpfung wachsender Armut. In beiden Bereichen ist in Hamburg nichts besser geworden.

Boeddinghaus: Das waren unsere Schwerpunkte, und sie werden es bleiben. Wir haben dafür ein Sofortprogramm vorgelegt über 318 Millionen Euro, finanziert aus Steuermehreinnahmen. Rot-Grün hätte nur Ja sagen brauchen.

Haben sie aber nicht, also haben Sie nichts erreicht.

Boeddinghaus: Das ist das Los kleiner Oppositionsparteien. Aber wir werden weiter die dicken Bretter bohren.

Viel reden, wenig bewirken?

59, seit 2015 Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, war vier Jahre lang SPD-Abgeordnete.

Özdemir: Gar nicht. Wir sind ja auch vor Ort viel mit den Menschen im Gespräch, in den Bezirken, in den Stadtteilen, in Initiativen. Und deren Anliegen tragen wir ins Parlament.

Es kommt ja nichts dabei raus.

27, Politikstudentin, ist seit 2011 Abgeordnete und seit 2015 Co-Fraktionsvorsitzende.

Boeddinghaus: Das berührt jetzt eine Grundsatzfrage der Demokratie, ob eine Opposition sinnvoll und notwendig ist. Klare Antwort: Sie ist. Opposition hat eine wichtige Funktion in einer echten Demokratie, und so verstehen wir unsere Rolle.

Ihr einziger politischer Erfolg war die Verhinderung Olympischer Spiele.

Boeddinghaus: Das war ein Erfolg, ja. Die HamburgerInnen sind deutlich schlauer, als viele dachten. Sie hatten erkannt, dass aktuelle Probleme zu lösen sind, statt an teuren Wolkenkuckucksheimen zu basteln.

Özdemir: Es ist doch aber auch so, dass viele jahrelange Forderungen von uns schließlich doch von der Mehrheit übernommen werden. Auch bei der Einigung mit der Initiative „Gute Integration“ wurden viele unserer Forderungen berücksichtigt: Mindeststandards in der zentralen Unterbringung zum Beispiel.

Dennoch sieht es aus, als hätte die rot-grüne Koalition auch in der Flüchtlingspolitik die Federführung. Sind durch den Deal mit „Hamburg für gute Integration“ diese Fragen endgültig geregelt worden?

Özdemir: Das kann man so nicht sagen, bislang steht die Einigung nur auf dem Papier. Nun muss das notwendige Geld fließen, auch die personellen Bedarfe müssen gedeckt werden. Wenn die Einrichtungen in den Stadtteilen alle ihre Aufgaben erfüllen sollen, müssen sie nachhaltig gestärkt werden. Bei den nächsten Haushaltsberatungen in der Bürgerschaft werden wir sehr genau darauf achten, dass das auch geschieht.

Ist die Vereinbarung mit der Initiative „Gute Integration“ ein Erfolg für das Parlament oder gar für die Demokratie?

Boeddinghaus: Es ist ein großer Erfolg, dass der Volksentscheid verhindert werden konnte. Dieses Thema enthält fürchterlich viel gesellschaftlichen Sprengstoff, der konnte entschärft werden. Am Ende wäre es auf die Frage hinausgelaufen, bist du für oder gegen Flüchtlinge. Deshalb ist es gut für das Klima in der Stadt, dass der Volksentscheid vom Tisch ist.

Werden wir es noch erleben, dass Ihre Partei in Hamburg regierungsbereit und -fähig ist?

Boeddinghaus: Das hat nichts mit Fähigkeiten zu tun …

Danke für die Klarstellung.

Boeddinghaus: …sondern mit den Realitäten in Hamburg.

Özdemir: In Thüringen sieht man ja, dass Rot-Rot-Grün unter einem linken Ministerpräsidenten gut funktioniert.

Und warum wollen Sie das Hamburg vorenthalten?

Boeddinghaus: Verhandlungen mit Olaf Scholz sind nur sinnvoll, wenn er bereit wäre, sich auf uns zu zu bewegen. Das ist nicht zu erwarten, also ist das kein Thema. Wir wollen keine Senatorenposten, wir wollen einen linken Politikwechsel.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan van Aken will nicht erneut kandidieren. Wer geht nun in den Bundestag?

Özdemir: Das ist noch unklar.

Wer von Ihnen beiden will?

Boeddinghaus: Keine.

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