Kommentar Tierversuche in Deutschland: Schmerz fürs Geschäftsinteresse

Die Zahl der Tierversuche steigt rapide. Oft nutzen sie nicht der Forschung, sondern allein der Industrie. Zellkulturen wären aussagekräftiger.

Beagles auf einer Wiese

Beagles sind besonders beliebte Versuchstiere Foto: ap

Wenn Tiere leiden, sind wir als Menschen gefordert. Umso mehr, wenn der Schmerz sinnlos ist. Bei Grundlagenforschung, die belegbar eines Tages nutzbringende Erkenntnisse über Diabetes, Parkinson, Schlaganfall oder Krebs zutage fördert, könnte man noch zu dem Schluss kommen: Ja, wir nehmen den Tod tausender Lebewesen in Kauf, weil wir damit menschliches Leid lindern können.

Oft wird dieser Nutzen aber absehbar gar nicht erreicht. Häufig geht es schlicht nur um Geschäftsinteressen. In solchen Fällen muss man ganz klar sagen: Stopp den stillen Tod in den Laboren.

Seit Jahren steigt die Zahl der gentechnisch manipulierten Tiere rapide, die in Laboren „verbraucht“ werden – also sterben. Transgene Tiere, bei denen Gene aus- oder eingeschaltet werden, sind immer wichtiger für die biomedizinische Forschung. Das zeigt auch die jetzt veröffentlichte Studie im Auftrag der Grünen. Allerdings: Der „Nutzen“ des Leidens ist viel sehr gering.

Schon seit den 90er Jahren versprechen Forscher, eines Tages menschentaugliche Organe aus Tieren züchten zu können: Was bis jetzt herausgekommen ist, passt vielleicht in den Plot von Gruselfilmen, hat aber bislang keinem kranken Menschen geholfen. Nun wurde zwar das Herz von gentechnisch veränderten Schweinen in die Bauchhöhle von Pavianen verpflanzt, die damit länger als zwei Jahre leben konnten. Auf die Humanmedizin ist das Verfahren damit aber noch lange nicht übertragbar.

Tiere als Schöpfung der Industrie

Die Realität der Gen-Versuche ist über Gebühr brutal – und vielfach ohne Wert: Eine halbe Million transgener Mäuse starb im vergangenen Jahr allein in Deutschland für die Grundlagenforschung. Nutzen? Nicht erkennbar. Denn: Was der Maus gegen Alzheimer, hilft noch lange nicht dem Menschen. Allerdings versucht die Industrie, uns das Gegenteil weiszumachen.

Inzwischen bewerben die „Produzenten“ ihre Versuchstiere als „kundenspezifisch manipulierte Nager“. Ethisch äußerst fragwürdig. Dahinter steckt die Jagd nach Patente milliardenschwerer Konzerne wie Pfizer oder Novartis, die sich sogar gentechnisch manipulierte Schimpansen patentieren lassen. Tiere werden so zum Produkt, zur Schöpfung der Industrie erklärt.

Viel zu wenig Augenmerk wird – entgegen den Vorschriften in Deutschland und Europa – auf die Vermeidung von Tierversuchen gesetzt. Es müssen nämlich nicht immer Tiere sein. Versuche mit Zellkulturen können häufig ähnlich viele und teilweise sogar mehr Erkenntnisse bringen wie die mit Affen, Hunden, Ratten oder Mäusen – und werden immer noch viel zu wenig gefördert.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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