Berichte über australisches Asyllager: Der Knast im Meer

Interne Dokumente enthüllen das Leid internierter Flüchtlinge auf der Pazifikinsel Nauru. Eine spanische Firma betreibt das Lager.

Luftaufnahme der Insel Nauru

Auf der Insel Nauru werden Flüchtlinge interniert, die versuchen, per Boot nach Australien zu kommen Foto: imago/UIG

CANBERRA taz | Sexueller Missbrauch von Kindern, chronische Verzweiflung, Selbstmordversuche – geheime Akten aus dem von Australien auf dem Inselstaat Nauru im Pazifik betriebenen Asyllager zeichnen ein Bild des Grauens. Mehr als 8.000 Seiten interne Dokumente der australischen Einwanderungsbehörde über die Zustände auf Nauru hat die britische Tageszeitung Guar­dian am Mittwoch ins Internet gestellt.

Die meist von Wärtern und Angestellten im Asylinternierungslager verfassten „Vorfall-Berichte“ zeichnen ein Bild der Brutalität und Verzweiflung. Selbstmordversuche, Selbstverstümmelungen, körperliche Angriffe auf die Asylsuchenden – alles wird in bürokratisch trockenem Ton geschildert.

Besonders häufig sind Berichte über angedrohte und erfolgte sexuelle Belästigungen von Frauen und Kindern. Mehr als die Hälfte der 2.116 Protokolle beziehen sich auf Vorfälle mit Minderjährigen. So sollen Wärter Kinder geschlagen oder sexuell attackiert haben.

Australien interniert auf der trostlosen Insel Nauru sowie in Papua-Neuguinea Flüchtlinge, die versucht haben, von Indonesien aus per Boot nach Aus­tra­lien zu kommen und um Asyl zu bitten. Die meisten Asylsuchenden stammen aus Afghanistan, dem Iran und dem Irak. Die Inhaftierung ist zeitlich nicht begrenzt – einige Internierte sind seit mehr als drei Jahren eingesperrt. Selbst wenn ihr Antrag auf Schutz akzeptiert wird, dürfen sie „niemals einen Fuß auf australischen Boden setzen“, stipuliert Canberra.

„Politik der Grausamkeit“ als Vorbild

Nauru und Papua-Neuguinea werden von Australien fürstlich dafür bezahlt. Die Inhaftierung eines einzigen von derzeit mehreren hundert Asylsuchenden auf Nauru kostet den australischen Steuerzahler pro Jahr mehrere hunderttausend Dollar. Trotzdem wird die Praxis von einem wesentlichen Teil der australischen Bevölkerung unterstützt.

Auch einige konservative Politiker in Europa sehen die australische „Politik der Grausamkeit“ als Vorbild. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) meinte jüngst, Europa müsse von Australien lernen und Asylsuchende auf Inseln an der Außengrenze der EU festhalten.

Kritiker und Experten prangern seit Jahren die Situation an. Da Journalisten und Menschenrechtsexperten keine Chance haben, sich selbst ein Bild auf Nauru zu machen, sind genaue Informationen rar. Ehemaligen Mitarbeitern des Lagers drohen zwei Jahre Haft, wenn sie über beobachtete Menschenrechtsverletzungen sprechen.

Unterstützung durch europäische Finanzhäuser

Laut dem früheren Lagerarzt Peter Young erfüllten die Zustände „die Definition der Folter“. Ziel der australischen Regierung sei es, die Menschen zu zermürben. Canberra hält dem entgegen, die Maßnahmen hätten einen humanitären Hintergrund. Keine Asylsuchenden würden mehr versuchen, „den gefährlichen Weg über das Meer zu riskieren“, so Immigrationsminister Peter Dutton.

Die Enthüllungen dürften den Druck auf Finanzinstitute und Investoren erhöhen, ihre Geschäftsbeziehung zur spanischen Firma Ferrovial auf Eis zu legen. Der Infrastrukturgigant ist seit Jahresbeginn im Auftrag der australischen Regierung für den Betrieb der Lager verantwortlich. In einer Analyse des australischen Human Rights Law Centre (HRLC) und der Menschenrechtsorganisation No Bu­siness in Abuse (NBIA) werden 22 vorwiegend europäische Finanzhäuser gewarnt, durch eine kommerzielle Beziehung zu Ferrovial würden sie ein System unterstützen, das auch von der UNO verurteilt wird.

„Die Faktenlage zeigt: Es ist möglich, dass sich individuelle Vertreter von Ferrovial der kriminellen Verantwortung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter dem Rom-Statut aussetzen“, bestätigt die US-Menschenrechtsexpertin Diala Shamas. Diese Woche kündigte Ferrovial an, Australiens Regierung habe von ihrem Recht Gebrauch gemacht, den Vertrag bis Oktober 2017 zu verlängern. Das spanische Unternehmen hatte den Auftrag im kommenden Frühjahr auslaufen lassen wollen.

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