Berliner Büchertisch e. V.

Das Projekt verteilt Bücher in Berlin und der ganzen Welt, damit Kultur nicht vom Geldbeutel abhängt

Bücher können als kulturelles Gut auch Gutes tun. Als Ana Lichtwer mit ihrer Familie aus dem Ausland zurückkam, fand sie ein anderes Berlin vor, als sie es verlassen hatte. „Früher wühlten die Leute nicht im Müll und sammelten Pfandflaschen“, sagt die 43-Jährige. Sie suchte für sich eine neue Aufgabe und wollte ein soziales Projekt gründen.

So begann sie sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für sich und andere wollte sie schaffen. „Ich wollte nicht mehr die Arbeit von meinem Leben trennen. Bei der Arbeit verkauft man nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch seine Lebenszeit, und dafür ist mir Geld zu wenig.“ Sie wollte nicht mehr nach acht Stunden nach Hause gehen und dort sich um das eigentliche Leben kümmern.

So fing sie an Bücher zu sammeln und diese zu verschenken und auch zu verkaufen. Das Projekt wurde immer größer, bis sie sich 2003 mit sieben weiteren Menschen entschloss, den Berliner Büchertisch als Verein zu gründen. Die Bücher werden verschenkt an kirchliche Einrichtung, wie beispielsweise Leib und Seele, Schulbibliotheken, Kinderbücher in französischer Sprache gingen nach Afrika, andere wiederum an Stiftungen und Kinderhospize.

Heute besteht der Büchertisch mit seinen Gib-und Nimmkisten an drei Orten in Kreuzberg. Aus diesen Kisten können sich die Menschen Bücher nehmen und ihre gebrauchten wieder reinlegen. Langsam wird auch online ein Bücherversand aufgebaut. Im Lager befinden sich 31.000 Bücher. Kinder, die in den Laden am Mehringdamm kommen, bezahlen nichts für ein Kinderbuch. Die Auswahl an Büchern kann es mit jedem Laden aufnehmen. Von Hermann Hesse bis John Irving, vom Brockhaus bis zu Nobelpreisträgern ist alles zu finden. Die meisten Bücher kommen aus Haushaltsauflösungen, aus Nachlässen oder werden einfach so abgegeben. Zurzeit braucht man sich nicht mit Bücherschenkungen zu engagieren, da es noch Kistenweise Bücher zu sortieren gibt.

Der Verein trägt sich ohne staatliche Fördermittel oder Spenden. Es ist Lichtwer wichtig, nicht abhängig zu sein, und so arbeitet sie ohne AB-Maßnahmen oder 1-Euro-Jobber, die irgendwann wieder abgezogen werden. Jeder, der im Büchertisch mitarbeitet, hat seine Zeit, und wie lang diese geht, bestimmt jeder selbst. Die Mitarbeiter sind von allein zum Verein gekommen.

Nur einmal hat Lichtwer eine Anzeige aufgegeben, um eine Buchhändlerin einzustellen, alle anderen Mitarbeiter sind „angespült“ worden. Im Berliner Büchertisch arbeiten Akademiker, Junge und Alte, ehemalige Obdachlose und auch beeinträchtigte Menschen. Aber auf die Frage, ob der Büchertisch ein integrativer Betrieb sei, weiß Lichtwer keine eindeutige Antwort. Auf den Menschen kommt es an.

Als eine ihrer Hauptaufgaben beschreibt sie Probleme zu lösen. Auch solche, die ihre Mitarbeiter vielleicht persönlich haben. Einmal wurde ein Praktikant immer schmutziger und es ging ihm schlecht. „Andere Unternehmen hätten ihn sofort rausgeschmissen. So ein Verhalten geht nicht.“ Lichtwer aber dachte sich, dass es Gründe für den Verfall geben muss, und so erfuhr sie, dass der junge Mann obdachlos war. So gibt es jetzt für die Mitarbeiter eine Notwohnung.

Helfen kann man dem Verein, in dem man sich mit einem kleinen Wagen bereit erklärt, an sozialen Orten in Berlin Bücher zu verschenken oder auch die Gib- und Nimmkisten zu organisieren. Das Wichtigste ist, im Laden einzukaufen, was bisher die einzige Quelle für die 30 Mitarbeiter und zwei Auszubildende ist, sich und den Laden zu finanzieren.

Im Büchertisch gibt es jede Woche Lesungen mit wechselnden Autoren und jeden ersten Mittwoch im Monat die Kreuzberger Literaturwerkstatt, die der Schriftsteller Nepomuk Ullmann ins Leben gerufen hat. Bei der Literaturwerkstatt kann jeder etwas lesen oder nur zuhören. Zu seinem Jubiläum hat er vom Verein die erste hauseigene Edition bekommen, die nun mit weiteren Druckwerken vom Büchertisch weitergehen soll. So ist auch ein Kochbuch in Planung, dass nicht nur Rezepte, sondern auch die Menschen aus Kreuzberg und Friedrichshain vorstellt.

LINDA WAITZ

■ Lesung: Nepomuk Ullmann liest am Donnerstag aus seinem Gedichtband „Die Asche brennt auf meiner Brust.“ 26. 11., 19.30 Uhr, Lesung mit Nepomuk Ullmann, Mehringdamm 51, 2. Hof im Büchertisch.

■ Im Netz:

www.berliner-buechertisch.de