Reform der Grundsteuer: Der Ruf nach Bodenständigkeit

Während die Grundsteuer endlich reformiert werden soll, wird der Ruf nach einer Bodensteuer immer lauter. Warum wird er überhört?

Ein Mann schneidet eine Hecke

Abschotten hilft nichts – das Finanzamt kann trotzdem über die Hecke schauen Foto: dpa

BERLIN taz | Rund 13 Mil­li­ar­den Euro erhalten die Kom­mu­nen pro Jahr aus der Grund­steu­er. Die Steuer auf das Ei­gen­tum an Grund­stü­cken und deren Be­bau­ung ist für die ­deutschen Ge­mein­den die zweit­größ­te Ein­nah­me­quel­le. Doch sie ist in Ge­fahr, weil der Bun­des­fi­nanz­hof vor zwei Jah­ren ge­ur­teilt hat, die Ab­ga­be sei nicht mehr ver­fas­sungs­kon­form.

Das Pro­blem: Die Fi­nanz­äm­ter be­rech­nen die Höhe der Steu­er auf Basis von ver­al­te­ten „Ein­heits­wer­ten“ für Grund­stü­cke und Ge­bäu­de. Die Zah­len stam­men im Wes­ten Deutsch­lands aus dem Jahr 1964, im Osten sogar von 1935.

Des­halb wol­len Hes­sen und Nie­der­sach­sen auf Bit­ten der meis­ten Län­der im Sep­tem­ber eine In­itia­ti­ve in den Bun­des­rat ein­brin­gen, um die Werte zu ak­tua­li­sie­ren. Bis 2027 sol­len die Grund­ein­hei­ten neu be­wer­tet und die Zah­len da­nach lau­fend an­ge­passt wer­den. Die Län­der ver­spre­chen, dass die Re­form „nicht zu einer flä­chen­de­ckend hö­he­ren Grundsteuer­belastung“ der Ei­gen­tü­mer füh­ren würde. Der Bun­des­tag muss der Re­form zu­stim­men, was aber wahr­schein­lich ist.

Die Steu­er soll wei­ter­hin auch auf den Wert der Ge­bäu­de ge­zahlt wer­den. Wer etwa einen Dach­stuhl aus­baut, muss mehr ans Fi­nanz­amt zah­len. „So­lan­ge die Grund­steu­er in der Haupt­sa­che eine Ge­bäu­de­steu­er ist, bleibt es at­trak­tiv, Boden brach lie­gen zu las­sen und Bau­lü­cken nicht zu be­bau­en“, sagt Ul­rich Krie­se, sied­lungs­po­li­ti­scher Spre­cher des Na­tur­schutz­bunds (Nabu). Des­halb trage die Ab­ga­be zur Zer­sied­lung und zu stei­gen­den Mie­ten bei. In der Folge müsse un­nö­tig viel neues Bau­land aus­ge­wie­sen wer­den – zum Scha­den der Natur.

Des­we­gen be­für­wor­tet Krie­se eine Bo­den­steu­er, die sich nur nach dem Wert des Grund­stücks, nicht der Ge­bäu­de be­misst. Der Nabu ge­hört neben einer Reihe von Bür­ger­meis­tern zu den Un­ter­zeich­nern der Ini­tiative „Grund­steu­er: Zeit­ge­mäß!“. Diese for­dert seit 2012 eine Bo­den­steu­er.

Besteuerung im EU- und OECD-Vergleich zu niedrig

Un­ter­stützt wird diese For­de­rung vom In­sti­tut der deut­schen Wirt­schaft (IW) in Köln. „Nicht nur, dass der Ver­wal­tungs­auf­wand ge­ring ist, da die Bo­den­wer­te be­reits in den Gut­ach­ter­aus­schüs­sen er­ho­ben wer­den, auch die Flä­chen­nut­zung wird da­durch ef­fi­zi­en­ter“, ur­teilt IW-Öko­nom Ralph Hen­ger.

Dirk Löhr, Pro­fes­sor für Steu­er­leh­re und Öko­lo­gi­sche Öko­no­mik an der Hoch­schu­le Trier er­gänzt: „Durch die Bo­den­steu­er wer­den all jene be­las­tet, die ihren Boden nicht nut­zen – im Ge­gen­satz zu jenen, die in den Wert ihrer Im­mo­bi­lie in­ves­tie­ren, indem sie zum Bei­spiel auf­sto­cken oder an­bau­en.“

Das hes­si­sche Fi­nanz­mi­nis­te­ri­um da­ge­gen ar­gu­men­tiert, die Grund­steu­er würde wegen ihrer ge­rin­gen Höhe keine Neu­bau­ten ver­hin­dern. Dazu sei die Ab­ga­be zu ge­ring. Au­ßer­dem solle die Re­form die Steu­er in Ein­klang mit dem Grund­ge­setz brin­gen. Dass der Boden ef­fi­zi­ent ge­nutzt werde, sei „Auf­ga­be des Pla­nungs­rechts“.

Steu­er­ex­per­te Löhr hält diese Ar­gu­men­te für fa­den­schei­nig. Er weist dar­auf hin, dass die Be­steue­rung im EU- und OECD-Ver­gleich zu nied­rig sei. Für Ralph Hen­ger vom IW wäre die jetzt ge­plan­te Re­form die Ge­le­gen­heit, die Bo­den­steu­er um­zu­set­zen: „Durch die Neu­be­mes­sung der Grund­stücks­wer­te wird es so oder so für Ein­zel­ne zu tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen kom­men.“ Egal, ob mit Grund­steu­er oder Bo­den­steu­er.

Zwar fin­den diese Woche noch Be­ra­tun­gen zwi­schen dem hes­si­schen Fi­nanz­mi­nis­te­ri­um und Ver­bän­den wie dem Nabu statt. Pro­fes­sor Löhr schätzt den­noch die Chan­cen die sei­ner Mei­nung nach un­zu­rei­chen­de Re­form noch zu ver­hin­dern, für eher ge­ring ein.

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