Frauenfußball in Berlin: Im Abseits

Vor kurzem träumten die Fußballerinnen vom 1. FC Lübars vom Sprung in die Bundesliga. Jetzt reicht es nicht mal mehr für die Berlin-Liga – das Geld fehlt.

Fußball

Ball ohne Spielerinnen: Das talentierte Frauenfußball-Team des 1. FC Lübars tritt nicht mehr an Foto: dpa

Der Ab­sturz war lang­sam und schlin­gernd, eine grafi­sche Kurve, die auf und ab ging und sich dabei mit jedem Monat nach unten ver­la­ger­te. Ei­gent­lich er­staun­lich, dass es nicht frü­her vor­bei war. Am Ende des Rin­gens ums Über­le­ben im Frau­en­fuß­ball sitzt Maja Bogs, Ge­schäfts­füh­re­rin der Frau­en­ab­tei­lung des 1. FC Lübars, auf dem zer­split­ter­ten Rest des­sen, was sich bis letz­te Sai­son die beste Ber­li­ner Frau­en­mann­schaft nann­te, und sagt den Satz, den seit Wo­chen viele mun­keln: „Wir wer­den in der nächs­ten Sai­son nicht mehr mit einer Da­men­mann­schaft an­tre­ten.“

Das ist, sport­lich ver­gli­chen, etwa so, als würde im Männer­fuß­ball Union Ber­lin keine erste Mann­schaft mehr stel­len. Nur, dass es nie­man­den in­ter­es­siert. Ein altes Pro­blem des Frau­en­fuß­balls. Dabei waren die Lübar­se­rin­nen lange Zeit die Ber­li­ner Hoff­nungs­trä­ge­rin­nen: Sie spiel­ten sechs Jahre lang in der Zwei­ten Liga und hat­ten die Am­bi­ti­on, in die Bun­des­li­ga auf­zu­stei­gen.

Vor allem Ex-Ab­tei­lungs­lei­ter André Eg­gert for­cier­te den Auf­stieg. „Er woll­te un­be­dingt in die Erste Liga, aber es war nicht ver­nünf­tig ge­plant“, sagt heute der Ver­eins­vor­sit­zen­de Micha­el Rein­ke. Of­fen­bar war vor allem kein Geld da. Die Posse um einen du­bio­sen Schwei­zer In­ves­tor, mit des­sen Geld Eg­gert seine groß­zü­gi­gen Aus­ga­ben fi­nan­zie­ren woll­te und der dann doch nicht zahl­te, brach­te die Lübar­se­rin­nen im ver­gan­ge­nen Win­ter an den Rand der In­sol­venz.

Notorische Gleichgültigkeit

Zum Miss­ma­nage­ment im ei­ge­nen Club kam die no­to­ri­sche Gleich­gül­tig­keit in der Haupt­stadt. Ko­ope­ra­tio­nen mit Her­tha und dem Ber­li­ner AK schei­ter­ten: Für die Män­ner­ver­ei­ne, die einst nach DFB-For­de­rung den Frau­en­fuß­ball un­ter­stüt­zen soll­ten, war die Ko­ope­ra­ti­on mit einem un­be­kann­ten Frau­en-Zweit­li­gis­ten fi­nan­zi­ell zu un­in­ter­es­sant.

Der BAK schmück­te sich zwar gern mit den Lübar­se­rin­nen, moch­te aber of­fen­bar für die Aus­ga­ben in Liga 2 nicht auf­kom­men – die Lübars-Frau­en stürz­ten in Liga 4. „Der DFB for­dert, dass die Frau­en­mann­schaf­ten in mög­lichst hohen Spiel­klas­sen an­tre­ten“, so Rein­ke, „aber wir be­kom­men keine Un­ter­stüt­zung.“ Den Sturz in die Ber­lin-Li­ga hat das Team nicht über­lebt.

Doch auch ohne all die in­ter­nen und ex­ter­nen Dra­men darf man sich fra­gen, wie lange es die Lübars-Frau­en noch ge­macht hät­ten. „Wir hat­ten bei Top-Spie­len um die 250 Zu­schau­er“, er­in­nert sich Ge­schäfts­füh­re­rin Maja Bogs. „Wir haben alles ver­sucht: Frei­kar­ten, Ver­lo­sun­gen. In sechs Jah­ren Zwei­te Liga hat sich nichts ge­än­dert.“

Ein ty­pi­sches Frau­en­sport-, aber auch ein klas­si­sches Ber­li­ner Pro­blem. „Es gibt zu viele Par­al­lel­ver­an­stal­tun­gen“, so Bogs. „Die Uni­on-Frau­en haben das­sel­be Pro­blem. In klei­nen Orten ist die Auf­merk­sam­keit im­mer­hin etwas grö­ßer.“

Jetzt sieht es düs­ter aus für die Lübar­se­rin­nen: Trai­ner weg. Spon­so­ren weg; die meis­ten Spie­le­rin­nen weg. Bis zu­letzt ver­such­te man auf der Web­site noch, neue Spie­le­rin­nen an­zu­wer­ben, um zu­min­dest in der Ber­lin-Li­ga an­zu­tre­ten. „Es haben sich null Komma null ge­mel­det“, sagt Bogs. Micha­el Rein­ke zürnt indes auf das zwei­te Frau­en­team, das eben­falls größ­ten­teils ab­wan­der­te und den Ver­ein „im Stich ge­las­sen“ hätte. „Es ging das Ge­rücht: Hier bricht alles zu­sam­men. Aber sie hät­ten ja noch war­ten kön­nen.“

Of­fen­bar aber ani­mier­te die in­ter­ne Si­tua­ti­on im Ver­ein nicht un­be­dingt zum Blei­ben. Nach einer 0:12-Klat­sche im August für eine not­dürf­tig zu­sam­men­ge­stell­te Ex-Spie­le­rin­nen-Trup­pe in der ersten Runde im DFB-Po­kal zog der Club einen Schluss­strich. „Ich könn­te jeden Tag heu­len“, sagt Ge­schäfts­füh­re­rin Bogs, „aber das habe ich mir ab­ge­wöhnt. Wir wol­len die Mann­schaft wie­der auf­bau­en.“

Sie hofft auf die Mäd­chen­mann­schaf­ten, die der 1. FC Lübars immer noch hat. „Die müs­sen wir hegen und pfle­gen. Un­se­re B-Ju­gend könn­te nächs­te Sai­son schon als Frau­en­mann­schaft an­tre­ten.“ Doch die An­zie­hungs­kraft des Clubs hat ge­lit­ten. Ta­len­tier­te Mäd­chen dürf­ten in Zu­kunft eher zu lo­ka­len Kon­kur­ren­ten wie Zweit­li­gist BW Hohen Neu­en­dorf wech­seln als zu einem Club, der nicht mal eine Da­men­mann­schaft hat.

Auch der ei­ge­ne Ver­eins­vor­sit­zen­de zwei­felt laut an den Hoff­nun­gen von Maja Bogs: „Ob ein er­folg­rei­ches B-Mäd­chen jetzt bleibt, ist frag­lich“, so Reinke: „Es gibt mit Si­cher­heit El­tern, die sagen: Nein, du bist zu mehr ge­bo­ren. Und ohne Zwei­te Liga fal­len uns die Spon­so­ren weg. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.“

Warten auf das Geld

Ex-Trai­ner Jür­gen Franz, der mit Bogs lange ums Über­le­ben der Lübar­se­rin­nen kämpf­te, deu­tet an, dass auch im Ver­ein nicht alle Wert auf eine hoch­klas­si­ge Frau­en­mann­schaft legen. „Si­cher­lich gibt es Leute bei Lübars, die es gut fin­den, wenn die Frau­en im mi­ni­ma­len un­te­ren Spiel­be­trieb spie­len“, so Franz. „Man hat ge­rin­ge Aus­ga­ben, aber hohe Ein­nah­men durch Mit­glie­der­bei­trä­ge.“

Sol­chen Leu­ten dürf­te ein Da­men­team auf nied­ri­gem Ni­veau sehr ge­le­gen kom­men. Der Traum von der Zwei­ten Liga ist erst mal aus­ge­träumt. In­zwi­schen lie­gen sie auch bei Lübars selbst im Clinch. Laut Ex-Trai­ner Franz war­ten so­wohl er als auch Ex-Spie­le­rin­nen noch auf Geld.

Maja Bogs be­stä­tigt, dass es „viele of­fe­ne For­de­run­gen“ gebe: „Was sol­len wir ma­chen? Wir sit­zen auf Schul­den, das ist auch nicht ein­fach für uns.“ Franz be­tont, es gehe ihm nicht um eine be­stimm­te Summe. „Ich will ein­fach ein Ge­spräch. Ich will, dass man sau­ber aus­ein­an­der­geht.“

Es blei­ben Streit und Ent­täu­schung. Maja Bogs hofft, dass es trotz­dem wei­ter­geht: „Wir wol­len wie­der von vorne an­fan­gen.“ Das Schick­sal der Lübar­se­rin­nen, fürch­tet sie indes, könn­ten bald noch mehr Frau­en­mann­schaf­ten tei­len. „In zwei Jah­ren führt der DFB eine ein­glei­si­ge Zwei­te Liga ein. Das wer­den alles Über­nach­tungs­fahr­ten. Wenn es keine fi­nan­zi­el­len Zu­schüs­se gibt, wer­den noch mehr Teams ab­stür­zen.“

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