Debatte Strategien gegen AfD in Berlin: Was tun gegen den Kater?

Mit der AfD wird eine neue, rechte Tonart ins Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Wie soll man der Partei begegnen? Drei Positionen.

Darf jetzt mitreden: AfD-Spitzenkandidat Geord Pazderski (1.v.l.) in der Talkrunde des rbb Foto: dpa

Redet mit ihnen!

Die rbb-Talkrunde der Spitzenkandidaten am Dienstagabend war ein Vorgeschmack auf das, was uns ab dem 18. September regelmäßig erwartet: Mit der AfD werden neue, deutlich ausländerfeindliche Töne ins Abgeordnetenhaus und in die öffentliche Debatte einziehen. Statt Flüchtlinge zu integrieren, solle man sie darauf vorbereiten, in ihr Land zu rückzugehen, verkündete etwa AfD-Mann Georg Pazderski.

Ja, es war viel schöner, als solche Stimmen noch nicht laut wurden. Gedacht haben manche Berlinerinnen und Berliner so etwas aber sicherlich schon länger. Sonst stünde die AfD in den Umfragen nicht so gut da. Wenn die Partei jetzt auf demokratischem Weg ins Parlament gewählt wird, dann hat sie das Recht, dort ihre Positionen zu vertreten. Daran werden wir uns gewöhnen, das werden wir aushalten müssen.

Auf die neuen Parlamentarier mit symbolischer Ausgrenzung zu reagieren wäre eine völlig falsche Reaktion. Stattdessen muss man den Rechten mit Argumenten begegnen. In der alltäglichen Arbeit, in den Ausschüssen, im Plenum. Wenn die übrigen LandespolitikerInnen so sicher sind, die Wahrheit auf ihrer Seite zu haben, dann sollten sie diese Auseinandersetzung nicht scheuen. Und wenn mal ein AfDler was Richtiges sagt – Pazderski hat sich im rbb auch für mehr Genossenschaften ausgesprochen –, dann muss man nicht aus Prinzip draufhauen, sondern sollte bereit sein, darüber zu reden.

Eine Ächtung würde die AfD nur in ihrer sich selbst zugeschriebenen Märtyrerrolle bestätigen. Sie würde der Partei einen neuen Grund liefern, sich als Opfer zu inszenieren – und ihr im Zweifel noch mehr WählerInnen zutreiben. Antje Lang-Lendorff

Schließt sie aus!

Flüchtlinge integrieren? Keineswegs! Sprachkurse, Einbindung in den Arbeitsmarkt? Schnickschnack! All das sind für Georg Pazderski nur Hindernisse für eine Abschiebung, ungeachtet dessen, wie lange die Geflüchteten tatsächlich im Land bleiben. Unverstellt hat der AfD-Spitzenkandidat damit sein menschenverachtendes Weltbild offenbart – so wie man es bislang nur von der NPD gewohnt war.

Für den Umgang mit der Partei darf das nur eines heißen: Man muss sie ausschließen, so wie es stets Konsens im Umgang mit der NPD war. Wo immer die AfD aufläuft, bei Demonstrationen auf der Straße oder Treffen in Gasthäusern, gilt es, ihr den Raum streitig zu machen. AfD-Kader müssen unter die Lupe genommen, ihre Verbindungen in rechtsextreme Strukturen aufgedeckt und gern auch in ihrem Wohnumfeld „geoutet“ werden. Alles andere würde zu einer Normalisierung der Partei führen – das, was ihren Vorbildern von FN bis FPÖ längst gelungen ist.

Auch im parlamentarischen Raum darf keine Normalität einkehren. Dafür bietet sich die Lösung an, die als „Schweriner Weg“ bekannt geworden ist. Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ließ man die Provokationen der NPD ins Leere laufen, indem stets nur ein Vertreter der demokratischen Parteien auf deren Anträge antwortete und danach geschlossen dagegen gestimmt wurde. Der Raum für die rechte Selbstinszenierung wurde damit maximal beschnitten – ohne parlamentarische Regeln zu ändern.

Bei alldem darf der Kampf um die Wähler der AfD nicht aufgegeben werden. Moralisch argumentieren hilft hier nicht weiter, dagegen muss die soziale Frage thematisiert werden. Eine Partei, die die Mietpreisbremse abschaffen oder Kitagebühren wieder einführen will, attackiert die Interesse eines Großteils ihrer Wähler. Das muss man ihnen bewusst machen. Erik Peter

Setzt ihnen etwas entgegen!

Dass es nicht gelingen wird, die AfD vollständig in die braune Ecke zu stellen und so als unwählbar zu brandmarken, dürfte in den letzten zwei Jahren klar geworden sein. Deshalb wird in der Auseinandersetzung mit der AfD verstärkt ein anderes Feld gesucht: die Sozialpolitik. Würde man den Leuten nur klarmachen, dass die AfD ihre Arbeitslosenversicherung privatisieren und ihren Mindestlohn abschaffen will, würden sie schon erkennen, dass diese Partei die falsche ist, lautet die Hoffnung.

Es kann mit Sicherheit nicht schaden, wenn Linke die soziale Frage wieder mehr auf den Tisch holen. Nur: Reichen wird auch das nicht. Denn das Erfolgskonzept der AfD ist nicht, dass sie ihren Wählern sozialpolitische Konzepte anbietet, wo andere keine haben. Sondern dass sie Konflikte um soziale und politische Teilhabe in einen kulturellen Konflikt umdeutet, in dem sie dann tatsächlich eine Antwort anzubieten hat.

Denn die AfD sagt ihren Wählern nicht: Dir geht es schlecht, weil du zu wenig Geld verdienst und zu wenig mitbestimmen darfst, und dafür haben wir folgende Lösungen anzubieten. Sondern sie sagt: Dir geht es schlecht, weil Ausländer, Willkommenskultur, Frauenemanzipation, flexibilisierte Arbeitsverhältnisse und die kulturellen Erben der 68er – sprich: das linksgrün-versiffte Deutschland – dich bedrohen, und dafür haben wir eine Lösung: Du darfst so bleiben, wie du bist, auch wenn sich die Welt um dich herum verändert.

Genau diese Umdeutung ist es, die Pazderski am Dienstagabend in der rbb-Talkrunde meint, als er sagt: „Es geht nicht nur um die reine Statistik, es geht auch darum, wie der normale Bürger das empfindet.“ Die AfD macht Politik mit Gefühlen, und genau deswegen ist es so schwer, ihr durch Entgegnung und Entlarvung auf der Sachebene beizukommen. Die Antwort wäre ein linkes politisches Projekt, das ebenfalls an der Gefühlswelt der Menschen, an der gefühlten Realität ansetzt, aber progressive Lösungen anbietet – doch das ist gerade nicht in Sicht, nicht in Berlin und auch nicht anderswo in Deutschland. Malene Gürgen

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