Hack der Antidopingbehörde Wada: Zu kurz gesprungen

Die Welt-Antidopingagentur wurde gehackt – und medizinische Daten von SportlerInnen veröffentlicht. Ein Skandal? Das hätten die Hacker gern.

Michael Phelps brüllt mit nacktem Oberkörper

Ein bisschen Asthmaspray oder Schmerzmittel hilft immer Foto: ap

Die Gruppe von selbst ernannten Dopingfahndern nennt sich Fancy Bear, und sie hat sich in die Datenbank der internationalen Antidopingbehörde Wada geschlichen. Die Hacker wollen wohl demonstrieren, dass nicht nur Russland ein veritables Dopingproblem hat, sondern die ganze Welt, also auch Sportler aus den USA wie die Turnerin Simone Biles, die Basketballerin Elena Delle Donne oder die Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams. Reißerisch vermarkten die Hacker ihre vermeintlichen Enthüllungen: „Amerikanische Athleten des Dopings überführt“, schreiben sie. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Wada, speziell deren wissenschaftliche und medizinische Abteilungen, seien korrupt und betrügerisch.

Aber was Fancy Bear da in seinen Pranken hält, ist nichts Besonderes. Daraus erwächst jedenfalls kein Dopingskandal ungeahnten Ausmaßes. Veröffentlicht wurden lediglich sogenannte medizinische Ausnahmegenehmigungen. Auf Englisch: Therapeutic Use Exemption, TUE. Das heißt: Die Sportler nehmen zwar Substanzen und Medikamente ein, die auf der Verbotsliste der Wada stehen, aber die medizinische Kommission ihres Sportfachverbandes oder die Nationale Antidopingagentur haben ihnen das per Ausnahmeregelung erlaubt. Formal sind die Sportler nicht gedopt, denn sie halten ja ein Attest in den Händen, das ihnen erlaubt, entzündungshemmende Präparate wie Kortison oder Asthmamittel wie Salbutamol zu nehmen.

Nun kann man sich natürlich wundern, warum im Schwimmbecken, auf dem Rennrad oder auf den Tenniscourts so viele Sportkranke herumlaufen, Athleten also, die es chronisch an den Bronchien und an den Gelenken haben. Aber auch hier ist die Antwort relativ einfach: Weil Hochleistungssport nun einmal nicht gesund ist. Ein Heer von Physiotherapeuten und Sportärzten kümmert sich um lädierte Körper, die unnatürliche Belastungen ertragen müssen und deswegen frühzeitige Verschleißerscheinungen zeigen. Die Athleten schlucken in der Hochphase des Wettkampfes so viele Schmerzmittel, dass Niere und Leber kaum hinterherkommen und nicht wenige Sportler an einer Medikamentenvergiftung haarscharf vorbeischrammen.

In der Logik des Hochleistungssports ist es nur allzu verständlich, wenn der Athlet unter tätiger Duldung von Funktionären das Behandlungsspektrum in den, wenn man so will, halblegalen Bereich erweitert und sich von Medizinern bestätigen lässt, dass man während einer dreiwöchigen Radrundfahrt mit Alpen- und Pyrenäenüberquerung nicht nur das stinknormale Schmerzmittel Diclofenac braucht, sondern ein paar wirkmächtigere Glucocorticoide.

Entspannte Reaktionen

Und für die lädierten Atemwege eines Schwimmers oder Skilangläufers darf es dann eben ein bisschen Formoterol sein, ein Mittel, das die Bronchien erweitert. Ja, Leistungssport kann chronisch krank machen. Und manchmal hatte der Sportler auch einfach nur eine Vorerkrankung, die medikamentöse Einstellung verlangte. Das trifft wohl auf die US-Turnerin Simone Biles zu, die wegen einer ADHS-Erkrankung Ritalin nehmen muss.

Alle Sportler, die von Fancy Bear im Internet an den Pranger gestellt wurden, reagierten relativ entspannt auf den Missbrauch persönlicher Daten, wohlwissend, dass ihnen der spitzfindige Enthüllungsbär nicht viel anhaben kann. Gestern kamen auch noch fünf Deutsche auf die Giftliste, darunter Diskuswerfer Robert Harting und Speerwerferin Christina Obergföll. Beide dürfen Dexamethason einnehmen, ein künstliches Glucocorticoid, das entzündungshemmend und dämpfend aufs Immunsystem wirkt.

Dopingexperte Fritz Sörgel

„Aus diesen Daten lassen sich keine Dopingfälle konstruieren“

„Ich und meine Mediziner haben kein Problem mit den geleakten Inhalten“, twitterte gestern Mittag Robert Harting. „Wir haben nichts zu verstecken: Go Transparency!“ Obergföll findet es zwar „ätzend, von Hackern durchleuchtet zu werden“. Aber das sei nicht schlimm, weil auch sie nichts zu verbergen habe. „Aus diesen Daten lassen sich beim besten Willen keine Dopingfälle konstruieren, nicht mal ansatzweise“, sagt der sonst sehr gestrenge Dopingexperte Fritz Sörgel.

Das Hackerkollektiv um Fancy Bear wird seine Krallen also noch etwas weiter ausfahren müssen, um den nichtrussischen Sport zu belasten. So schwer dürfte das eigentlich nicht sein.

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