Giftgas- und Streubomben in Syrien: Kritik an Moskaus Haltung

Das Assad-Regime hat bereits hundertfach Streubomben abgeworfen. Die Abrüstungsinitiative CMC wirft auch Russland vor, die geächtete Munition einzusetzen.

Nicht explodierte Streubomben liegen auf staubigen Boden in Syrien

Nicht explodierte Streubomben in Syrien Foto: reuters

GENF epd | Im syrischen Bürgerkrieg setzen Regierungsarmee und russische Streitkräfte offenbar immer mehr Streubomben ein. Wöchentlich, vielleicht sogar täglich attackierten die Armeen der Bündnispartner Ziele mit der geächteten Streumunition, erklärte Mary Wareham von der Koalition gegen Streumunition (CMC) am Donnerstag in Genf. Brennpunkt der Angriffe sei Aleppo.

Unterdessen erklärte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, dass die Verhandlungen zwischen den USA und Russland über eine 48-stündige Feuerpause für Aleppo andauerten. Die Pause solle den UN ermöglichen, die leidenden Menschen in der umkämpften und teilweise abgeriegelten Stadt mit Hilfsgütern zu versorgen. Im Monat August hätten die UN und ihre Partnerorganisationen nur drei von 18 belagerten Orten in Syrien mit Hilfsgütern beliefern können.

Laut Jahresbericht der Koalition gegen Streumunition tötete oder verletzte die Streumunition im vergangenen Jahr 248 Menschen in Syrien. Die Streitkräfte des Machthabers Baschar al-Assad seien zwischen Juli 2012 und Juli 2016 für mindestens 360 Angriffe mit den Sprengkörpern verantwortlich gewesen. Dabei seien 13 verschiedene Sorten eingesetzt worden, die aus der Luft oder vom Boden aus verschossen wurden.

Die CMC-Aktivisten betonten, sie verfügten über „überzeugende Beweise“, dass die russischen Streitkräfte die Sprengkörper verschießen. Russland bestreitet den Einsatz der Waffen.

Bestände müssen zerstört werden

Russland und Syrien haben die 2010 in Kraft getretene Konvention gegen Streubomben nicht unterzeichnet. Insgesamt haben 100 Staaten das Abkommen ratifiziert, darunter Deutschland. Die Konvention verbietet den Einsatz, die Produktion, den Transfer und das Lagern der Munition. Bestände müssen zerstört werden.

Streumunition wird in Containern von Artilleriegeschützen und Militärflugzeugen abgeschossen. Nach dem Öffnen der Behälter verteilen sich Hunderte kleiner Bomben auf einem mehrere Fußballfelder großen Gebiet. Viele Einzelteile detonieren jedoch nicht direkt, sie stellen auch nach Jahrzehnten noch eine Gefahr für die Bevölkerung dar.

Angesichts der neuen Berichte zum Einsatz von Chemiewaffen in Syrien warf Amnesty International dem UN-Sicherheitsrat Tatenlosigkeit vor. Kriegsverbrechen in der Region müssten endlich mit aller Kraft verfolgt werden, forderte der Syrien-Experte der Menschenrechtsorganisation, René Wildangel, in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Frankreich und Großbritannien hatten Sanktionen gegen das Assad-Regime verlangt, nachdem die Vereinten Nationen einen Report veröffentlicht hatten. Darin beschuldigen Experten der UN und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen die Assad-Armee, Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg verwendet zu haben. Russland sprach sich jedoch gegen eine Bestrafung des Assad-Regimes durch den UN-Sicherheitsrat aus.

Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), kritisierte: „Für Moskau ist die Profilierung als treuer Freund des verbrecherischen Assad-Regimes offensichtlich wichtiger als das gemeinsame Vorgehen und die Sanktionierung dieses provokativen Vertragsbruchs“, sagte er der Zeitung. In Syrien kämpfen Assad, Rebellen und Terrormilizen um die Macht.

Kritik auch zu Russland Giftgas-Haltung

Amnesty International hat angesichts der neuen UN-Berichte zu Chemiewaffen-Einsätzen in Syrien die Tatenlosigkeit des UN-Sicherheitsrats scharf kritisiert. Kriegsverbrechen in der Region müssten endlich mit aller Kraft verfolgt werden, sagte der Syrien-Experte der Menschenrechtsorganisation, René Wildangel, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

„Es ist enttäuschend, dass der UN-Sicherheitsrat im Syrienkonflikt weiterhin handlungsunfähig ist“, sagte Wildangel. Russland verhindere, dass Konsequenzen aus den vorgelegten Beweisen gezogen werden.

Der jüngste UN-Bericht weist den Angaben zufolge die Verwendung von Giftgas in Syrien nach. Russland hatte Syrien dennoch im UN-Sicherheitsrat gegen den Vorwurf des Chemiewaffen-Einsatzes in Schutz genommen und Forderungen des Westens nach Sanktionen eine Absage erteilt.

Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), verurteilte die russische Haltung. „Für Moskau ist die Profilierung als treuer Freund des verbrecherischen Assad-Regimes offensichtlich wichtiger als das gemeinsame Vorgehen und die Sanktionierung dieses provokativen Vertragsbruchs“, sagte er der Zeitung.

Erler betonte, jetzt stünden das Prestige und die Glaubwürdigkeit des UN-Sicherheitsrats auf dem Spiel. Die Vereinten Nationen sollten trotz der russischen Vetodrohung entschlossene Sanktionsmaßnahmen vorbereiten. Das Moskauer Spiel auf Zeit dürfe keinen Erfolg haben. Am Ende müsse die russische Führung entscheiden, ob sie in diesem Fall das Risiko einer weiteren internationalen Isolierung eingehe oder nicht.

Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mit Sitz in Göttingen forderte von der Bundesregierung, sich angesichts der Giftgas-Angriffe in Syrien für die Ahndung dieser Verbrechen stark zu machen.

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