Kein Plan für Menschenrechte

Ausgebremst Die Bundesregierung sollte im Juni 2016 einen Nationalen Aktionsplan erstellen, der die Wirtschaft darauf verpflichtet, Menschenrechte stärker zu achten. Daraus wird wohl nichts

20.000 Menschen haben in Briefen an das Kanzleramt gefordert, dass sich die Bundeskanzlerin für verbindliche Regeln für Unternehmen einsetzt. Die Briefaktion fand im Rahmen der Kampagne „Mensch. Macht. Handel. Fair.“ des Forum Fairer Handel und des Weltladen-Dachverbandes statt und richtete sich in der entscheidenden Phase des deutschen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) an Frau Merkel. Dieser Nationale Aktionsplan sollte bereits im Juni 2016 vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Der Entwurf damals stellte einen Kompromiss zwischen ehrgeizigen Forderungen, von Akteuren des fairen Handels und den Bedenken der großen Industrie- und Arbeitgeberverbände dar.

„Zu begrüßen war das Kapitel zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“, erklärt das Forum Fairer Handel (FFH). Es übernahm die klare Definition der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Bundesregierung sah vor, dass die Hälfte aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in ihre Unternehmensprozesse integriert. Schrittweise sollten alle Unternehmen eine Sorgfaltsprüfung einführen, die sowohl ihrer Größe und Branche, als auch ihrer Position in der Lieferkette angemessenen ist.

Die Umsetzung dieser Vorgaben sollte ab 2018 jährlich überprüft werden. Sollten die Unternehmen die Vorgabe nicht erfüllen, kündigte die Bundesregierung an, Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen. „Im Großen und Ganzen erfüllte dieser Entwurf zumindest die erste Forderung der Kampagne an Bundeskanzlerin Merkel“, so das FFH. „Leider blockiert das Bundesfinanzministerium diesen Entwurf seit Wochen erfolgreich.“

Minister Schäuble kritisiert den Entwurf. Sein Hauptargument ist, dass die schrittweise Verpflichtung deutscher Unternehmen ein Verstoß gegen das Konzept der Bürokratiebremse sei. Dieses Konzept schreibt vor, dass Unternehmen für jede Belastung durch neue Bestimmungen eine Entlastung durch die Abschaffung existierender Vorgaben erhalten müssen. Ziel ist, eine Zunahme von Kosten für Unternehmen zu vermeiden. Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und Misereor protestieren allesamt scharf gegen den Versuch des Bundesfinanzministeriums, aus dem bisherigen Entwurf eines NAP für Wirtschaft und Menschenrechte alle Menschenrechtsauflagen für Unternehmen zu streichen.

Schon der bisherige Entwurf, an dem bereits fünf Ministerien beteiligt waren, hatte zum Unmut der Organisationen auf eine gesetzliche Regelung verzichtet. „Die Überarbeitung durch das Finanzministerium trägt die Handschrift der Wirtschaftsverbände, nicht die einer Regierung, die Fluchtursachen minimieren will. Bleibt es bei den Änderungen, können die Unternehmen, die menschenverachtende Produktionsbedingungen ignorieren, um davon zu profitieren, einfach weitermachen“, so Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt.

Die Blockade verzögert die Abstimmung zwischen den Ministerien. Einen Kompromissversuch unternahmen die Staatssekretäre Ende Juli, konnten sich allerdings nicht einigen. Es wird daher erwartet, dass der NAP gemeinsam mit vielen anderen Streitpunkten Mitte September im Koalitionsausschuss diskutiert wird. Verena Haan, Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland, kritisiert: „Indem das Finanzministerium die letzten zarten Ansätze verbindlicher Auflagen streicht, torpediert es jeglichen Fortschritt bei der Durchsetzung von Menschenrechten in der Wirtschaft. Menschen sind Rechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland weiterhin schutzlos ausgeliefert.“ LK