Kommentar Wiener Flüchtlingsgipfel: Vor allem Grenzen sichern

Es ging in Wien nicht darum, die Migration in geordnete Bahnen zu lenken. Die europäische Flüchtlingspolitik war schon mal weiter.

Mann in Anzug (Österreichs Kanzler Christian Kern) in leerem Raum

Hier wäre noch Platz für eine zukunftsweisende Flüchtlingspolitik gewesen Foto: dpa

Die Außengrenzen sichern, die Balkanroute dicht halten, Frontex stärken, Drittstaatenabkommen zwecks Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ausdehnen: Dies waren die Stichworte des Flüchtlingsgipfels von Wien.

Schließlich gelte es, so EU-Ratspräsident Donald Tusk, den Zugang „illegaler Migranten“ zu verhindern. In diesem Ansatz jedoch ist impliziert, dass a priori alle Migranten illegal sind, schlicht weil legale Zugangswege gar nicht vorgesehen sind. Vor wenigen Monaten noch schien es, als wäre die Diskussion in Europa ein Stück weiter.

Wer Schleusern das Handwerk legen wolle, hieß es damals, der müsse über sichere Zugangswege für politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge nach Europa nachdenken, also über Möglichkeiten, Asyl oder humanitären Schutz nicht erst nach einer lebensgefährlichen Bootsfahrt zu beantragen. Und wer die Migration in geordnete Bahnen lenken wolle, komme an einer Einwanderungspolitik, die diesen Namen verdient, nicht vorbei.

Stattdessen gilt jetzt wieder: zurück auf Los, auf jenen Stand, auf dem Europa jahrelang verharrt hatte. Vielen mag es zum Beispiel einleuchten, dass abgelehnte Asylbewerber leichter abgeschoben werden sollen. Doch die Praxis zeigt, auf welch rutschiges Gelände Europa sich hier begibt. So schloss Italien vor wenigen Wochen erst ein Abkommen mit dem Sudan, am 24. August dann wurden 48 Sudanesen in einer Blitzaktion von Turin aus in ihr Heimatland ausgeflogen. Wie das – weiterhin geheime – Abkommen lautet, ob die Abgeschobenen überhaupt Zugang zu einem regulären Asylverfahren hatten: Keiner weiß es. Allzu bekannt ist aber, wie es im Bürgerkriegsland Sudan um die Menschenrechte bestellt ist.

In letzter Konsequenz könnte so die ganze Welt zu einer Summe sicherer Herkunftsstaaten erklärt werden. Meinte Kanzlerin Merkel dies, als sie auf dem Wiener Flüchtlingsgipfel von „humanitärer Verantwortung“ sprach?

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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