Kolumne Jung und Dumm: Frauke Petry ist ein Cyborg

Warum sehen rechte Politiker*innen nie so aus, wie ihre Ideologie das verlangt? Ist Petrys Nichtblauäugigkeit eine Aktion der Antifa?

Frauke Petry

Ist das schon ein völkisches Lachen? Frauke Petry 2016 Foto: dpa

Politik ist ein hochkomplexes Hütchenspiel mit Fantasmen in Zeiten, in denen beinahe jedes Gerede von der vermeintlichen Krise die echte erst befeuert – wer beherrscht dieses Spiel besser als Frauke Petry? Beispiel: Twittert die Trollkönigin vor knapp zwei Wochen etwas, das klingt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: „Brandanschlag auf mein Auto: Wo soll das noch hinführen? #AfD #Linksextremismus“.

Nun, das Auto führt wohl nirgendwo mehr hin. Aber was soll die freshe Hashtag-Kombi am Ende? Möchte Sherlock Petry uns einen dezenten Hinweis auf die linksextremistischen Umtriebe ihrer Partei geben?

Verwirrend geht es weiter: Nach ihrem neuesten Systemupdate (ist sie nicht gegen das System – das aber doch jede noch so kleine Sprechblase zur Primetime begafft, die sie aussendet?) soll sie in der Lage sein, eine Forderung zurückzuziehen, bevor sie sie ausgesprochen hat, und 25 Positionen gleichzeitig zu vertreten – jede so menschenrechtskonform wie das Puddingrezept eines katholischen Kinderheims im Jahre 1954.

Solange Frauke redet, muss sich niemand unwohl fühlen, hat er*sie nur die rechte Gesinnung, ist er*sie nur weiß genug: vereint in völkischer Gemeinschaft. Kein Tropfen Schweiß läuft dabei ihr Antlitz runter, kein Einwand macht sie stottern (zumindest nicht im deutschen Fernsehen – dessen Finanzierung sie abschaffen will, obwohl es doch ihr effektivster Werbeträger ist, zum Beispiel wegen solcher Forderungen?). Nichts und niemand hält sie auf (außer Klugheit, Mut und Menschlichkeit).

Schusssichere Sächsin

Jedoch: Hat man die schusssichere Sächsin jemals essen sehen? Ergab die heimtückische Fruchtsaftattacke auf sie vergangenes Jahr (bei der, sagt die Polizei, nur ein Glas umgefallen ist) nicht vielleicht eine ganz andere Botschaft, neben des üblichen rechten Opfergebarens: nämlich Petry, die promovierte Politchemikerin, öffentlichkeitswirksam mit organischer Materie reagieren zu lassen?

Die politische Gegenseite, von der immer unsicherer wird, wie dagegen sie noch ist (und ob sie das je war) – sie fällt einfach immer wieder um, Angst vor Neuland und Maschinenwelt. Warum geht Petrys Wagen wohl ausgerechnet in dem Jahr kaputt, in dem die Bundesregierung beschließt, den Kauf von Elektroautos finanziell zu fördern? Hat Permafrost-Petry mit ihrem neuen Stromschlitten möglicherweise anderes vor als Autofahren? FRAUKE, wir wollen die WAHRHEIT!!!

Seltsam nur: Wenn man Frauke Petry so anschaut, in ihrer vollendeten poly-ur-ethischen Bindemittelkraft – dann zweifelt man doch unweigerlich daran, wie bewusst sie sich ob der Traditionen ist, in denen sie sich bewegt, wenn sie Begriffe wie „völkisch“ aufwerten möchte. (Natürlich ist sie das.)

„Jung und dumm“ fragt ganz naiv: Ist Petrys Nichtblond-und-Nichtblauäugigkeit eine False-Face-Aktion der Antifa? Des Verfassungsschutzes? Bloß rhetorische Absicherung gegen die fiese Lügenpresse? Oder sind es in Wahrheit ganz andere Genealogien, denen sie folgt, und ist es nicht lediglich ein Schnurrbart, der ihr fehlt, um auszusehen wie, ja, genau, Bismarck?

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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