BGH-Urteil zu Persönlichkeitsrechten: Wowis Drink ist Zeitgeschichte

Heimlich gemachte Fotos aus der Paris Bar publizieren? Das geht, entschied Karlsruhe zugunsten der „Bild“. Das dürfte Klaus Wowereit nicht freuen.

Ein Mann guckt interessiert nach vorne. Es ist Klaus Wowereit

Die Aufnahmen seien zu einem hochpolitischen Zeitpunkt gemacht worden, so der Richter Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Das Privatleben von Politikern wird im Zusammenhang mit wichtigen politischen Ereignissen selbst zu einem Bestandteil der Zeitgeschichte. Deshalb durfte die Bild auch Fotos eines privaten Restaurantbesuchs von Klaus Wowereit abdrucken. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH).

Im Januar 2013 war Klaus Wowereit noch Regierender Bürgermeister von Berlin. Am nächsten Tag hatte der SPD-Politiker eine Vertrauensabstimmung im Berliner Abgeordnetenhaus zu überstehen. Anlass waren die ständigen Verzögerungen beim Berliner Hauptstadtflughafen BER. Doch abends saß der Bürgermeister noch mit Freunden in der Paris Bar, einem Künstler- und Promi-Lokal in der Charlottenburger Kantstraße. Drei Tage später druckte die Bild heimlich aufgenommene Fotos von dem Treffen.

Wowereit sah dadurch seine Privatsphäre verletzt und klagte gegen die Zeitung auf Unterlassung. In Berlin hatte er vor dem Landgericht und dem Kammergericht zunächst auch Erfolg. Doch der Springer-Verlag pochte auf die Pressefreiheit und ging in die Revision zum BGH.

Der BGH erklärte nun den Abdruck der Fotos für zulässig und hob die Berliner Urteile auf. Die Bilder von Wowereit in der Paris Bar gehörten „zum Bereich der Zeitgeschichte“, sagte der Vorsitzende Richter Gregor Galke. Die Einstufung war wichtig, denn wenn es um die Dokumentation der Zeitgeschichte geht, dürfen Fotos auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen verbreitet werden. So ist es im Kunsturhebergesetz geregelt.

Richter Galke räumte ein, dass es sich bei Wowereits Restaurantbesuch um eine „eigentlich eher private Situation“ handelte. Allerdings habe es sich um den „Vorabend eines hochpolitischen Ereignisses“ gehandelt. Für Wowereit sollte sich entscheiden, ob er Regierender Bürgermeister bleibt oder nicht. Doch Wowereit habe sich kurz vor dieser „schicksalhaften Entscheidung“ noch entspannt beim Drink in der Öffentlichkeit gezeigt. Hier bestehe ein „Informationsinteresse der Allgemeinheit“.

Außerdem, so Richter Galke, waren die Aufnahmen mit einem Artikel über Wowereits politische Biografie verbunden. „Vom Partybürgermeister zum Bruchpilot“, titelte die Bild-Zeitung damals.

Es handelte sich um den „Vorabend eines hochpolitischen Ereignisses“, sagt der Richter

Wohl keine Grundsatzentscheidung

Auch die Personen, mit denen sich Wowereit traf, rechtfertigten das Interesse der Öffentlichkeit. Mit am Tisch saß nämlich der damalige Chef der Modemesse Bread and Butter, Karl-Heinz Müller, und dessen Ehefrau. Müller war zwar ein Freund Wowereits, doch die Umstände der Verpachtung des Tempelhofer Flughafengeländes an die Modemesse seien damals „sehr umstritten“ gewesen, so Galke.

Nach dem Gesetz war noch zu prüfen, ob „berechtigte Interessen“ Wowereits dem Abdruck der Fotos entgegenstanden. Doch Richter Galke verneinte auch dies. Die Paris Bar sei als Prominenten-Treffpunkt bekannt. „Dort konnte er nicht damit rechnen, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen zu sein.“

Das BGH-Urteil ist wohl keine Grundsatzentscheidung, da es doch sehr auf die Umstände des Einzelfalls ankam.

Der BGH blieb jedoch auf der Linie seiner Rechtsprechung. 2008 hatte er entschieden, dass die SPD-Politikerin Heide Simonis beim Einkaufen fotografiert werden durfte. Es war der Tag, an dem ihre Wiederwahl als schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin gescheitert war.

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