Urteil zu Rigaer94-Räumung in Berlin: Lehrstunde für die Hauseigentümer

Die Räumung des Hausprojekts bleibt illegal. Die Hauseigentümer scheitern vor Gericht. Das ist auch für Innensenator Henkel ein Problem.

Polizisten im Eingang der Rigaer94

Polizisten im Eingang der Rigaer94 Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bewohner der Rigaer Straße 94 haben einen weiteren Sieg vor Gericht errungen. Das Landgericht Berlin wies am Mittwoch den Einspruch der Hauseigentümer zurück und bestätigte damit sein Urteil vom 13. Juli.

Richterin Nicola Herbst stellte erneut unmissverständlich klar: Die am 22. Juni erfolgte Räumung mehrerer Gemeinschaftsräume in dem linken Hausprojekt in Berlin-Friedrichshain war illegal. Da die Bewohner der Rigaer94 die betreffenden Räumlichkeiten, darunter die Kneipe „Kadterschmiede“, schon länger als ein Jahr nutzen, hätte der Eigentümer einen gerichtlichen Räumungstitel gebraucht. Doch der lag nicht vor.

Vor Prozessbeginn war die entscheidende Frage in dem von Bereitschaftspolizisten weiträumig abgesperrten Gerichtsgebäude: Erscheint dieses Mal die Eigentümerseite überhaupt? Vor zwei Monaten war der Stuhl der Beklagten leer geblieben. Pünktlich um zehn Uhr – Rigaer94-Anwalt Lukas Theune und sein Mandant warteten schon – erschien dann der neue Anwalt, Markus Bernau. Wem das Haus mittlerweile gehört, ist jedoch weiterhin unklar und kam auch vor Gericht nicht zur Sprache. Sicher ist nur, dass der ehemalige Besitzer, die auf den Britischen Jungferninseln gemeldete Firma „Lafone Investment Limited“ nicht mehr Eigentümer des Hauses ist.

Bernau schilderte zunächst seine Sicht der Dinge: Die Nutzung der umstrittenen Räume in dem linken Hausprojekt sei ein fortwährender bereits seit zwei Jahrzehnten andauernder Rechtsbruch, denn die Bewohner hätten schlicht kein Nutzungsrecht. Weder die Eigentümer noch die Polizei hätten Zugang zum Gebäude. Dann wurde Bernau polemisch: Mit ihre Klage rufen die Bewohner „den Rechtsstaat, den sie sonst nicht bereit sind anzuerkennen. Das ist bigott.“ Richterin Herbst erwiderte kurz: „Aber zulässig.“

Im weiteren Verlauf machte die Richterin deutlich, dass alle Einwände gegen das in erster Instanz ergangene Versäumnisurteil unzulässig seien. Ihre Ausführungen wirkten wie eine Rechtsbelehrung für einen Jura-Studenten im ersten Semester. Die Zuständigkeit des Gerichtes: nicht zu bezweifeln. Der Gegenantrag: förmlich falsch.

Besonders zerpflückte sie die Argumentation, die Räumlichkeiten seien nach der Räumung gar nicht in den Besitz der Eigentümer, sondern der beauftragten Baufirma übergegangen. Diese „Variante ist lebensfremd“, urteilte Herbst. Bernau stürmte nach Verhandlungsende wort- und grußlos aus dem Verhandlungssaal.

Problem für Henkel

Das Urteil kommt nicht überraschend – dennoch birgt es einige Brisanz. Mit dem neuesten Urteilsspruch ist die Rechtswidrigkeit der Inbesitznahme durch die Eigentümer eindeutig festgestellt. Im ersten Urteil hatte sich die Richterin zwar dementsprechend klar geäußert, faktisch aber kein Urteil in der Sache gesprochen. Da der Anwalt der Eigentümerseite nicht zur Verhandlung erschienen war, erging damals ein Versäumnisurteil.

Frank Henkel, Innensenator und CDU-Spitzenkandidat, hatte sich bis zuletzt auf die Argumentation zurückgezogen, dass deswegen ein anderes Urteil nicht möglich gewesen sei. Diese Auffassung ist nun obsolet. Betont hatte Henkel stattdessen stets die vermeintliche Bedrohung des Rechtsanwalt André Tessmer. In der Nacht vor der Verhandlung hatte das vor seinem Haus geparkte Auto eines Nachbarn gebrannt. Tessmer war daraufhin nicht zur Verhandlung erschienen und legte anschließend sein Mandat nieder.

Die Rechtsstreitigkeiten um die Teilräumung werden die Gerichte weiter beschäftigen. Die Eigentümerseite hat mittlerweile eine Räumungsklage beim Landgericht erhoben. Diese könnte Erfolg haben, das sieht auch Theune so: „Eigentum ist ein starkes Recht. Normalerweise können Eigentümer das durchsetzen.“

Theune betonte aber auch, dass seine Mandanten über ein Vergleichsangebot der Eigentümerseite beraten – es enthalte allerdings einiges, was sie „nicht unterschreiben können“. Gleichwohl betonte Theune, sich mit Bernau zusammenzusetzen.

Auch das Verwaltungsgericht wird sich demnächst mit der Räumung der Rigaer94 beschäftigen. Mitte August hatte der Bewohnerverein „Freunde der Kadterschmiede – Kultur im Kiez“ eine Klage gegen den Polizeieinsatz erhoben. Sie wollen damit feststellen lassen, dass auch die Unterstützung des illegalen Handelns des Eigentümers unrechtmäßig gewesen ist.

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