Jüdisches Museum in Frankfurt: Umbau am Untermain-Kai

In Frankfurt am Main wird das Jüdische Museum von Grund auf umgestaltet. Auf einem Pop-up-Boot zeigt sich derweil, wohin die Reise wohl geht

Ein Raum mit großformatigen Fotos und roten Streifen an der Wand

Wie aus alt neu wird, kann man derzeit auf dem Pop-Up-Boot nachvollziehen Foto: Norbert Miguletz/Jüdisches Museum

Die Antworten der Besucher auf die Frage, was sie sich vom neuen Jüdischen Museum wünschen, reichen von „Kritisch auf Israel blicken“ über „Ein Herz für Palästina“ und „Vielstimmigkeit“ bis hin zu „Free Wi-Fi“. Inwieweit sich das verwirklicht, wird sich zeigen.

Bis zum Jahr 2018 soll der Stammsitz des Museums im Rothschild-Palais am Untermain-Kai erneuert sowie um einen Neubau erweitert sein. Derzeit herrscht dort Baustelle.

Den Bauzaun verschönern netterweise eigens dafür erdachte Comic-Geschichten von Volker Reiche, die er alle zwei Wochen fortschreibt und -zeichnet. Eine der vielen Ideen, mit denen das Team um die neue Direktorin des Jüdischen Museums, Mirjam Wenzel, die Zeit bis zur Wiedereröffnung verkürzen.

Einen Vorgeschmack auf das, was künftig im Museum zu erleben sein wird, bietet derzeit ein sogenanntes Pop-up-Boot, das einige Wellenlängen vom Rothschild-Palais entfernt auf dem Main liegt. Genauer gesagt: am Eisernen Steg, auf der Sachsenhäuser Seite.

Dort können die Besucher nicht nur ihre eingangs zitierten Wünsche äußern, sondern sich auch an der Namensgebung für den künftigen Museumsvorplatz beteiligen. Berühmte Persönlichkeiten stehen zur Auswahl, und auch neue Vorschläge sind willkommen.

Wunschname Hannah Arendt

Derzeit liegt Hannah Arendt vorn, dicht gefolgt von Marcel Reich-Ranicki. Wenn es nach Mirjam Wenzel ginge, dürfte durchaus einmal eine Frau zum Zuge kommen. Im Januar dieses Jahres ist sie, die 1972 in Frankfurt geboren wurde, die Nachfolge von Raphael Gross angetreten. Zuvor war sie Leiterin der Medienabteilung am Jüdischen Museum Berlin.

Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt erlebt Wenzel als sehr selbstbewusst. Ihr gefalle, sagt sie im taz-Gespräch, dass sich die rund 7.000 Gemeindemitglieder auch für das Museum mitverantwortlich fühlten. Den Austausch mit ihnen empfindet sie als befruchtend, wie ihr überhaupt am Dialog gelegen sei.

Auch das bis zum Beginn des Laubhüttenfestes am 17. Oktober vor Anker liegende Boot dient dazu, die künftige Gestaltung des Museums ins Gespräch der Stadt zu bringen. Jeden Tag, außer an den hohen Feiertagen Rosch Haschana und Jom Kippur, lädt es zum Besuch.

Bei sogenannten Lunch Talks wollen Kuratoren des Museums ungezwungen über ihre Pläne informieren und stehen für Fragen und Anregungen bereit. Wie etwa der stellvertretende Direktor des Museums, Fritz Backhaus.

Der erläutert in einer solchen Veranstaltung die Neukonzeption der Dauerstellung im Rothschild-Palais anhand eines eingerichteten Setzkastens, der Exponate des Museums ausstellt und damit einen Einblick in die Vielfalt der Objekte gibt.

FDP-gelber Schlips von Ignatz Bubis

Ein FDP-gelber Schlips des Politikers und ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, findet sich ebenso darunter wie ein selbst gebasteltes Quartett von Buddy Elias, dem Cousin von Anne Frank. Die Reproduktion eines Bildes von Moritz Daniel Oppenheim verweist, wie Backhaus erklärt, auf die Kunstsammlung des Museums, zu deren Höhepunkten auch der künstlerische Nachlass des Expressionisten Ludwig Meidner zählt.

Alte Postkarten, die für das einstige explizit antisemitische Frankfurter Hotel Kölner Hof werben, leiten Backhaus zu der Frage, was man dauerhaft ausstellen soll und was besser nicht. Bezüge zur Gegenwart und anderen Religionen liegen auf der Hand – und sollen künftig noch stärker in den Vordergrund rücken.

Die Sammlung auch öffentlich zugänglich zu machen gehört zu den Herzensanliegen von Mirjam Wenzel

Die Sammlung auch öffentlich zugänglich zu machen gehört dabei zu den Herzensanliegen von Mirjam Wenzel. Die künftigen Onlineaktivitäten betrachtet sie als eigenes Standbein ihres Hauses, zu dem auch das im März wiedereröffnete Museum Judengasse zählt.

Bis alles so kommt, dient das Boot als temporäre Plattform. Dort stellt Dmitrij Belkin sein Buch „Germanija. Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde“ vor und Deborah Feldman ihre schockierende Autobiografie „Unorthodox“.

Hinzu kommen Kindersachen, Filme, Diskussionen, Konzerte und zum Abschluss am 16. Oktober ein Sukkot Dinner mit anschließender Boat Closing Party. Das Veranstaltungsprogramm stellt Fragen nach Religion, Flucht, Migration und Miteinander und spiegelt dabei auch das, was Wenzel besonders wichtig ist: „ein lebendiges Zentrum für jüdische Kultur zu sein“.

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