Linksparteizoff über Spitzenkandidatur: Umstrittene Selbstkrönungen

Die Ostländerschefs sind verärgert über Wagenknecht und Bartsch. Die wollen sich als Spitzenkandidatenduo für die Bundestagswahl durchsetzen.

Wollen sich von ihrer Bundestagsfraktionsspitze nicht vorführen lassen: Linksparteivorsitzende Bernd Riexinger und Katja Kipping Foto: dpa

BERLIN |taz |Der Vorstoß von Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Linkspartei als SpitzenkandidatInnen-Duo in die kommende Bundestagswahl führen zu wollen, stößt zunehmend auf innerparteilichen Unmut. In einem gemeinsamen Brief an den Parteivorstand üben nun die Vorsitzenden der mächtigen Ostlandesverbände scharfe Kritik an dem Vorgehen: „Es ist problematisch, wenn jetzt mit individuellen Wahlkämpfen auf der Basis individueller Wahlstrategien und innerparteilich umstrittener Positionen begonnen wird“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt.

Die Parteilinke Wagenknecht und der Parteirechte Bartsch hatten überraschend am Montag auf einem internen Treffen des geschäftsführenden Bundesvorstands und der Landeschefs in Berlin ihren Anspruch auf die gemeinsame Spitzenkandidatur angemeldet – und erklärt, für ein eventuelles Spitzenquartett nicht zur Verfügung zu stehen. Der Auftritt der Bundestagsfraktionsvorsitzenden sei eindeutig als „Erpressung“ und „Kampfansage“ an die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger zu verstehen gewesen, berichten TeilnehmerInnen der Runde. Von „Selbstkrönungen“, die „weder gefragt noch zu diesem frühen Zeitpunkt hilfreich“ seien, sprach Brandenburgs Linksparteichef Christian Görke.

Nun interveniert Görke gemeinsam mit seinen Pendants Klaus Lederer aus Berlin, Birke Bull aus Sachsen-Anhalt, Rico Gebhardt aus Sachsen, Heidrun Bluhm aus Mecklenburg-Vorpommern und Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen gegen den Kurs von Wagenknecht und Bartsch. Die Linkspartei müsse sich zur Bundestagswahl „programmatisch und personell“ breit aufstellen, fordern sie.

Die sechs Ostlandeschefs, die wie Bartsch zum ReformerInnenflügel gehören, stärken Kipping und Riexinger den Rücken. Sie gingen davon aus, dass die Parteiführung einen Vorschlag unterbreiten werde, „der Antworten auf die vielfältigen sozialen und politischen Herausforderungen gibt und die Sprache der unterschiedlichen Menschen spricht, die ihren Blick auf uns richten“. So umständlich die Formulierung ist, versteckt sich dahinter ein unmissverständliches Votum gegen eine alleinige Spitzenkandidatur von Bartsch und Wagenknecht.

„Die richtigen Spitzenkandidaten für die Linke“

In die gleiche Richtung argumentiert hatten bereits am Donnerstag 37 führende LinksparteilerInnen, die in ihrer Mehrzahl zum linken Flügel zählen – und die sich für ein Spitzenquartett aussprachen. Es müsse darum gehen, „erfolgreich die unterschiedlichen Milieus unserer Partei anzusprechen“ – von FlüchtlingshelferInnen über GewerkschafterInnen und Erwerbslosen bis hin zu Friedensbewegten. „Das gemeinsame Gewicht unserer Partei- und Fraktionsvorsitzenden ist dazu eine geeignete Lösung“, schreiben die VerfasserInnen, zu denen neben Vizeparteichefin Janine Wissler auch mehrere Bundestagsabgeordnete, die Landesvorsitzenden von Bremen und Bayern sowie die Spitzen des Jugend- und Studierendenverbandes gehören.

Dagegen teilte der rheinland-pfälzische Landeschef Alexander Ulrich über Facebook mit: „Der Landesverband Rheinland-Pfalz hat sich eindeutig für Sahra und Dietmar ausgesprochen.“ Auch der Bundestagsabgeordnete Steffen Liebich bezeichnete im taz-Interview die beiden als „die richtigen Spitzenkandidaten für die Linke“.

Parteichefin Kipping übt sich unterdessen in Gelassenheit. „Wir haben die Bewerbung zur Kenntnis genommen“, kommentierte sie kühl das Vorpreschen von Wagenknecht und Bartsch. „Es gibt unterschiedliche Modelle, und die werden gleichberechtigt debattiert“, sagte Kipping der taz. Ausschlaggebend für sie sei, „mit welcher personellen Aufstellung wir am deutlichsten machen, dass wir wie keine andere Partei in diesem Land für soziale Gerechtigkeit eintreten und dass wir in der Friedens- und Flüchtlingsfrage klare Grundsätze haben“.

Am Freitagvormittag beriet der geschäftsführende Bundesvorstand der Linkspartei auf einer Telefonkonferenz über die Causa. „Wir stehen am Anfang eines Prozesses“, heißt es in seinem einstimmig gefassten Beschluss. Es würden verschiedene Modelle diskutiert. „Die Entscheidung liegt bei der Partei und den Mitgliedern.“

Ein guter Rat kommt vom grünen Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Via Twitter empfahl er der Linkspartei: „Genossen, denkt doch mal über eine Urwahl nach.“

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