Kommentar Parlamentswahl in Russland: Der totale Stillstand

Putins Staatspartei erhält über die Hälfte der Stimmen – damit ist der Weg in die alleinige Herrschaft frei. Protest regt sich im apathischen Volk kaum.

Russlands Präsident Vladimir Putin und Ministerpräsident Dmitry Medvedev

Regieren ohne Opposition: Russlands Ministerpräsident Medwedew (l.) und Präsident Putin Foto: dpa

Die Kremlpartei „Einiges Russland“ (ER) fuhr ein überwältigendes Ergebnis ein. Mehr als die Hälfte der Wähler gab der Staatspartei bei der Dumawahl ihre Stimme. Zählt man die Direktmandate noch hinzu, erreicht die Funktionärspartei eine verfassungsändernde Dreiviertelmehrheit. Mehr war wirklich nicht rauszuholen – und das trotz Wirtschaftskrise und ohne Aussichten auf eine baldige Besserung. Selbst die System-Stützen aus Kommunisten und Nationalisten konnten aus der traurigen Lage keinen Nutzen ziehen, im Gegenteil, sie mussten im Vergleich zu den Wahlen 2011 sogar noch Federn lassen.

Für die demokratische Opposition sieht es noch düsterer aus. Sie verschwindet mit dieser Wahl in der Versenkung. In Zukunft wird sie es noch schwer haben, überhaupt Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Degradierung der Andersdenkenden zu einem bedeutungslosen Dissidentenklüngel war von vornherein Ziel des Kreml.

Der Weg in die allumfassende Herrschaft ohne jegliche Alternative dürfte damit nun endgültig frei sein. Nicht zufällig wurde der Wahlerfolg von der Ankündigung begleitet, der Geheimdienst werde wieder den alten Status aus Sowjetzeiten erhalten: als Ministerium der Staatssicherheit.

Protest dagegen regt sich kaum. Ein Teil der Gesellschaft ist müde und apathisch. Der andere verleiht der Obrigkeit die notwendige Legitimität. Manch einer leidet überdies am Stockholm-Syndrom. Auch diesmal wurde bei der Wahl manipuliert, geschummelt und betrogen. Doch selbst eine noch so einwandfreie Abwicklung des Wahlprozederes würde an der gesellschaftlichen Konstellation und dem Verhältnis von Führung und Gefolgschaft wenig ändern. Die Apathischen sind nicht automatisch Kremlgegner. Über geringen Einfluss mögen viele enttäuscht sein. Doch geht es ums Größere oder gar Russlands Größe kann die Bevölkerung mit Widersprüchen leben.

Mit dieser Wahl zieht endgültig Stillstand in Russland ein, der auch die nächste Präsidentschaftsperiode Wladimir Putins bis 2024 noch überdauern könnte. Und Stillstand im Innern verheißt stürmische Winde in der Außenpolitik.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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