Kommentar Veganer und Agrardemo: Am Ende verlieren Tiere und Bauern

Der Austritt der einzigen veganen Organisation im Trägerkreis der größten Agrardemo schadet Tierrechtlern und -haltern.

Demonstranten gehen am 16.01.2016 mit großen "Vegan"-Buchstaben in Berlin am Potsdamer Platz vorbei

Das war der Albert Schweitzer Stiftung nicht genug: Veganer auf der „Wir haben es satt“-Demonstration gegen die Agrarindustrie Foto: dpa

Der Konflikt zwischen Tierhaltern und Tierrechtlern in der Bewegung für eine neue Landwirtschaftspolitik schadet beiden Seiten. Das zeigt auch der jüngste Eskalationsschritt: Die einzige vegane Organisation im Trägerkreis der größten Demonstration gegen die Agrarindustrie ist aus der „Wir haben es satt“-Allianz ausgetreten. Der Rückzug der Albert Schweitzer Stiftung vertieft die Spaltung der alternativen Agrarbewegung. Davon werden die profitieren, die in deutschen Ställen mit ihren teils schlimmen Haltungsbedingungen alles beim Alten lassen wollen.

Es stimmt natürlich, dass ökologisch orientierte Bauernorganisationen und Tierrechtsverbände Ziele haben, die sich widersprechen: Die einen wollen die Tierhaltung artgerechter gestalten, die anderen wollen sie komplett abschaffen.

Aber die Forderung der Tierrechtler ist kurz- und mittelfristig völlig unrealistisch. Auch nach Jahren der Kampagnen für Veganismus ernährt sich nur rund ein Prozent der Deutschen ohne tierische Lebensmittel.

Wer die Lage der Nutztiere verbessern will, sollte seine Energien nicht in einem bis auf Weiteres aussichtslosen Kampf verschwenden, sondern muss sich dafür einsetzen, dass sich die Tierhaltung ändert. Schärfere Tierschutzvorschriften zum Beispiel würden Fleisch verteuern und so den Konsum senken. Wenn all das einmal erreicht ist, dann sind Forderungen nach dem völligen Verzicht auf Fleisch leichter durchzusetzen.

Kritische Landwirte brauchen Tierrechtler

Die Bauernfraktion der Agrarbewegung braucht die Tierrechtler, weil die etwa mit ihren Videos aus überhaupt nicht artgerechten Ställen die Debatte über Viehhaltung in Deutschland in Gang halten. So wächst die Kritik an den herrschenden Zuständen, der sich auch kritische Landwirte anschließen.

Abgesehen davon: Die Albert Schweitzer Stiftung hat Recht mit ihrem Appell, dass wir weniger Fleisch essen müssen. Denn derzeit verzehrt der durchschnittliche Deutsche weit mehr, als Ernährungswissenschaftler raten. Weniger Fleisch zu essen ist auch eine der besten Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft überhaupt.

Beide Seiten – Tierrechtler und kritische Tierhalter – würden also profitieren, wenn sie miteinander kooperieren. Und deshalb sollten beide aufeinander zugehen – zum Beispiel, wenn es darum geht, zu einer Demonstration aufzurufen.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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