Eisbären Berlin: Auf Schlingerkurs

Nach einem gelungenem Saisonstart schwächeln die Eisbären. Vor allem die Abwehr zeigt Mängel. Wird am Mittwoch gegen Iserlohn endlich alles besser?

Chanpions-League Spiel Eisbären vs. Zug

Die Eisbären (l.) haben derzeit öfter mal das Nachsehen Foto: dpa

Das Spiel, das die aktuellen Probleme der Eisbären vielleicht am besten beschreibt, endete nicht als Niederlage, sondern als Sieg. Am vergangenen Freitag spielten die Berliner in Ingolstadt. Kein Furcht einflößender Gegner, vielmehr ein machbares Spiel fürs Selbstvertrauen, nachdem die Berliner davor drei Ligaspiele in Serie verloren hatten. In die Spur finden. Sich berappeln. Darum ging es.

Schon nach dem ersten Abschnitt führten die Eisbären souverän mit 4:0. Doch dann wirkte das Team von Uwe Krupp wie so oft überfordert bei der Defensivarbeit. Das eigentlich schon entschiedene Spiel drohte zu kippen, ein Gegentor nach dem anderen fiel. Am Ende gewannen die Eisbären doch noch mit 7:4. Frei nach dem Motto: Einfach mehr Scheiben im Tor unterbringen, als wir kassieren. Das reichte.

In bislang fünf Ligaspielen ging die Taktik auf. In fünf anderen reichte sie nicht. Die vielen Gegentore – 30 Gegentreffer in zehn Spielen – machten die Siege der Eisbären unnötig mühselig und verwandelten Führungen in Niederlagen.

Anfangs in der Saison fiel das noch nicht so auf; man gewann ja, zwischendurch waren die Berliner sogar Tabellenführer. Derzeit stehen sie nur noch auf dem mittelmäßigen Platz sechs.

Ein Schlingerkurs aus Erfolgen und Pleiten, der noch keine Katastrophe ist, denn die Tabelle ist eng, die Saison noch lang. Aber gegen Topteams wie Köln und München gab es schmerzhaft deutliche Niederlagen; die Elite der Liga scheint wieder eine Nummer zu groß. Nach zwei Seuchenjahren und einer guten letzten Saison mit enttäuschendem Ende suchen die Eisbären weiter ihre neue Rolle in der Deutschen Eishockey Liga (DEL).

Man sei nur „zweite Reihe“, hatte Trainer Uwe Krupp vor der Saison gesagt. Eine treffende Einschätzung, aber für die erfolgsverwöhnten Fans schwer zu akzeptieren. Und Demut lässt sich nicht ewig als Schutzschild tragen. Bei der titelschweren Historie, das weiß auch Krupp, wird der Anspruch irgendwann wieder „erste Reihe“ heißen, ja heißen müssen. Das erfordert mehr Souveränität, weniger Unbeständigkeit, bessere Defensivarbeit.

„Es ist natürlich so, dass die Leute durch die Erfolge in der Vergangenheit eine gewisse Erwartungshaltung an uns haben“, sagt Routinier Jens Baxmann. Seit 13 Jahren spielt er bei dem Verein; Baxmann hat alles erlebt: sieben Meisterschaften, aber auch den tiefen Sturz danach. „Die Mannschaft ist schon ein bisschen unter Druck. Aber wir haben ja auch eine Erwartungshaltung an uns. Drei Niederlagen hintereinander wie vor Ingolstadt, das ist überhaupt nicht unser Anspruch.“ Man sei gut in die Saison gestartet, habe dann aber „einen kleinen Hänger“ gehabt. „So was passiert jeder Mannschaft in der Saison, dafür ist sie einfach zu lang. 52 Spiele konstant sein ist ganz schwer.“

Den Topmannschaften aber gelang das bisher deutlich besser. „Teams wie Köln und München sind sehr gut in der Breite aufgestellt“, sagt Baxmann. „Das hilft ihnen, konstanter zu sein.“ Diese Konstanz fehlt den Berlinern derzeit.

Die Berliner Eisbären wurden auf Anordnung der DDR-Führung 1954 als SC Dynamo gegründet. Sie gewannen insgesamt 15 Mal die DDR-Meisterschaft. Weil Eishockey als zu wenig medaillenträchtig bei internationalen Wettbewerben galt, spielten allerdings 20 Jahre lang nur zwei Teams in der DDR-Oberliga. Der SC Dynamo galt als Stasi-Club und war trotz der Erfolge wenig populär.

1994 waren die inzwischen umbenannten Eisbären Gründungsmitglied der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Zwischen 2005 und 2013 gewannen sie sieben Mal die Meisterschaft und wurden zum Publikumsmag­neten. Nach zwei Krisenjahren hatten sich die Eisbären in der Saison 2015/2016 erstmals wieder für die Play-offs qualifiziert, scheiterten aber früh an Köln. (asc)

Ein Auf und Ab

Training im Wellblechpalast, ein Tag vor dem Spiel gegen Ingolstadt. Dass die Saison noch nicht viele Spiele alt ist, erzählt schweigend die verwaiste Tribüne. Es ist mehr Presse als Anhang gekommen; es sei denn, man zählt die Gruppe von Kindergartenkindern mit, die auf der Geraden sitzt und sich überwiegend mit den eigenen Butterbroten beschäftigt.

Evelin Winter steht ungerührt vorne an der Absperrung. Sie ist die einzige Anhängerin, die sich das komplette Training antut, all die Überzahl- und Unterzahlübungen, die auswendig kennt, wer ein paar Mal da ist. Winter ist Eisbären-Fan „seit Ewigkeiten“, womit sie meint: seit 1986, also noch zu Dynamo-Zeiten. „Es ist ein Auf und Ab dieses Jahr“, brummt sie, will das aber nicht allzu kritisch verstanden wissen. „Ich bin zufrieden.“ Die Neuzugänge seien gut, „die Mannschaft ist stärker als letztes Jahr“. Das werde schon.

Mit den Zugängen Nick Petersen, Kyle Wilson und Daniel Fischbuch haben sich die Eisbären bereichert, allerdings vor allem im Angriff. Die Defensive soll nun nachträglich verstärkt werden. Aktuell buhlt man um Nationalspieler Christian Ehrhoff. „Wir haben noch einige Luft nach oben“, sagt auch Trainer Uwe Krupp.

Mehr will er dazu eigentlich nicht sagen. Krupp, der Exerfolgsspieler, der Exerfolgstrainer in Köln und beim Nationalteam, gegenüber Medien zurückgezogen, diktiert lieber lustlos ein paar Floskeln. Die fehlende Effizienz? „Effizienz ist ein Problem, mit dem viele Mannschaften kämpfen.“ Die Unbeständigkeit? „Beständigkeit ist immer eine große Herausforderung.“ Die Chancen in der Liga? „Die Liga ist kein Wunschkonzert.“

Vieles zu verbessern

Immerhin: In der Champions League läuft aktuell alles nach Wunsch. Nach zwei Siegen gegen den EV Zug sind die Eisbären das einzige deutsche Team, das es in die nächste Runde geschafft hat. Obwohl das Rückspiel mühsam lief. „Wir haben auch in Zug kein überragendes Spiel gemacht“, sagt Jens Baxmann. „Es gibt schon viele Dinge, die wir besser machen können. Wichtig ist, dass wir jetzt nicht anfangen, uns gegenseitig zu zerfleischen, sondern dass wir zueinander stehen.“

Dass man im Moment einen Durchhänger habe, sei vielleicht gar nicht so verkehrt, so Baxmann weiter. „Wir hatten letztes Jahr eine Phase, da haben wir auch nicht so gut gespielt, aber uns durchgemogelt. Die Defizite kommen dann gar nicht so ans Tageslicht. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir mal auf den Deckel gekriegt haben.“

Genug Zeit, an den Problemen zu arbeiten, gibt es. Genug Gelegenheiten auch. Nach der überraschenden Niederlage am Sonntag gegen Liga-Neuling Bremerhaven treten die Eisbären am heutigen Mittwoch gegen den Tabellenzehnten Iserlohn an. Auch so ein Gegner, der eigentlich machbar ist. Aber das muss ja nichts heißen.

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