Kommentar zum AfD-Neuzugang: Der verlorene Sohn

Der Zweifel an einfachen Lösungen war die Richtschnur – heute würde Joachim Fest sich im Grabe umdrehen: Sein Sohn Nicolaus geht zur AfD.

Nicolaus Fest hält sich ein Mikro an den Mund

Skeptisch hinterfragen war gestern – Nicolaus Fest schließt sich lieber den Populisten an Foto: imago/ecomedia/robert fishman

Joachim Fest war ein streitbarer Konservativer, ein begnadeter Publizist und einer der wichtigen intellektuellen Wegbereiter der geglückten Demokratie nach 1945. Einen „Metabürger“ nannte ihn Durs Grünbein einmal. Denn wie kaum ein Zweiter repräsentierte der ehemalige FAZ-Herausgeber und Zeithistoriker die bürgerlichen Kardinaltugenden der alten Bundesrepublik: Anstand, Geradlinigkeit, Skepsis, Liberalität.

Dafür, dass dieses Wertefundament in Teilen des Bürgertums zunehmend erodiert, ist ausgerechnet Fests Sohn ein jüngstes Beispiel – am Mittwoch wurde Nicolaus als Neuzugang der AfD vorgestellt.

Zu Zeiten des alten Fest wäre es undenkbar gewesen, dass sich die Bürger von Besitz und Bildung mit Autoritären und Fremdenhassern gemein machen. Bürgerlich sein hieß auch: jeden Anflug politischen Extremismus misstrauisch zu beäugen, Maß und Mitte stets zu wahren.

Man musste diese knorrigen Typen und ihr elitäres Gebaren nicht mögen. Aber es waren zumeist anständige Leute und aufrechte Demokraten. NPD, Republikaner und andere rechte Parteien blieben auch darum bloß Splittergruppen, weil das Bürgertum die Rechtsaußen stets verachtete.

Geifernd statt kultiviert

Heute ist das anders. Leuten wie Nicolaus Fest ist es egal, mit wem sie paktieren. Zurückhaltung und Anstand haben sie längst aufgegeben. Dass Verschwörungsideologen, völkische Sektierer und Verfassungsfeinde zu ihren neuen politischen Freunden gehören, kümmert sie nicht. Der Ton ist geifernd statt feingeistig-kultiviert. Man wettert gegen den Islam, die „Gutmenschen“ und „Altparteien“.

Die moralische Richtschnur früherer Zeit ist diesem verrohten Bürgertum abhanden gekommen – und die AfD ist ihr Sammelbecken.

Joachim Fest erklärte den Zweifel einst zu seiner Antriebskraft: Nie dürfe man den einfachen Lösungen vertrauen, stets skeptisch sein, hinterfragen. Nun macht sein Sohn Politik für Populisten. Auch so eine Ironie der Geschichte.

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