Senegalesische Drumbeats im Mix: Wie der Sound prasselnden Regens

Der Berliner Technopionier Mark Ernestus trifft auf senegalesischen Mbalax-Sound: Ndagga Rhythm Force und das Album „Yermande“.

Neun Mitglieder der Mark Ernestus' Ndagga Rhythm Force posieren für das Foto

Schlagzeuggetrieben: Mark Ernestus' Ndagga Rhythm Force Foto: Hardwax

Gleichförmige Beats legen die Fantasie nicht in Ketten, sie lullen die Hörer auf dem Dancefloor allmählich ein. Anders ist das bei Mark Ernestus und seinem neuen Projekt Ndagga Rhythm Force: Da hört man verzweigte Drumpatterns, die die Sinne schärfen. Zwölf senegalesische Musiker aus der Hauptstadt Dakar haben sich mit dem Berliner Produzenten und Gründer des Plattenladens Hardwax zusammengetan, die gemeinsam kreierte Musik entwickelt seine Schubkraft im Tänzelnden, auch im Gegenläufigen verschiedener Rhythmusstrukturen. Selbst notorische Tanzmuffel zucken in den Strudeln dieses Flows vor schierem Vergnügen.

Vor Kurzem haben Ndagga Rhythm Force „Yermande“ veröffentlicht, ihr drittes Album: Sechs Exkursionen in Rhythmus und Sound, bei denen Drums, Handtrommeln und Percussion-Instrumente tonangebende Rollen spielen. Mark Ernestus bringt mit seinem Mix sogar die Felle der Trommeln zum Schwingen.

Indem er Hi-Hat und andere Elemente zunächst im Studio isoliert und dann wieder ins Klangbild reintegriert, setzt er besondere Akzente. Der Berliner hat die Spuren in seinem Sinne bearbeitet, Melodien eingekocht, zum Teil sogar Drums gesampelt und zu den Basic Tracks gestellt. Oftmals operiert Ernestus auch mit Hall, darin weist seine Handschrift Ähnlichkeiten zur Arbeitsweise jamaikanischer Produzenten auf, die aus Reggaesongs Dub-Versions gewonnen haben, abgespeckte basslastige und äußerst effektive Abmischungen.

Einerseits lebt der Sound auf „Yermande“ von der Reduktion und andererseits hebt Ernestus darin einzelne Spuren im Mix hervor, wie etwa den Gesang der Sängerin Mbene Diatta Seck im Titelsong. Die Leistung der Musiker soll nicht geschmälert werden: Bis zu vier Mitglieder der Band widmen sich den Beats, schieben damit nicht nur die mit Synthesizer, Bass, Gitarren und Gesang sparsam gepolsterten Melodien an, sie messen sich mit ihnen, reiben sich vor allem an den beschwörenden Linien von Seck. Auch die Melodieinstrumente Gitarre und Synthesizer spielen rhythmusorientierte Patterns. Mbalax nennt man diesen Stil. Im Senegal rechnet man ihm dem Pop zu.

Wurzeln in der Folkmusik

Es sind Drums, die den Mbalax-Sound auf eine höhere, meditative Ebene transportieren. Auch Ernestus ist von diesem Fieber erfasst, seit er bei einem DJ-Engagement in Kopenhagen 2008 zum ersten Mal Mbalax-Sound gehört hat. Die Musik auf „Yermande“ hat Wurzeln in traditioneller Folkmusik und uralten Griot-Riten, klangtechnisch ist es jedoch chirurgisch-präzises 21. Jahrhundert.

Mark Ernestus' Ndagga Rhythm Force: „Yermande“ (Ndagga/Hardwax); live: 11. Oktober im „HAU“ Berlin, 12. Oktober im „Desi“ Nürnberg, 15. Oktober im „Pfalzbau“ Ludwigshafen

„Lamb Ji“, der Auftaktsong, ist nach der senegalesischen Form des Ringens benannt, der beliebtesten Sportart des Landes. Jene Sportveranstaltungen werden begleitet von Trommeln und Chanten. Auch die Musiker von Ndagga Rhythm Force lassen die Trommeln sprechen. Auf der Suche nach den Wurzeln von Mbalax-Musik wird man in der Geschichte der Sklaverei fündig.

Sie beginnt nicht erst mit dem transatlantischen Sklavenhandel zwischen Portugal, Spanien und der neuen Welt im 15. Jahrhundert, sondern bereits früher, Anfang des 11. Jahrhunderts: Schon vorher setzte die Islamisierung Afrikas ein, und sie ging einher mit der Kolonisierung entlang alter Handelsrouten und war gekennzeichnet von regionalen Besonderheiten. Auf dem Gebiet des nördlichen Senegambia errichtete die Berberdynastie der Almoraviden um 1040 nach Christus ein Kalifat und unterjochte „Ungläubige“ in einem heiligen Krieg. Im Kampf setzen sie schwarze Sklaven aus dem Gebiet des heutigen Senegal als Soldaten ein – und Trommeln wurden Teil der Kriegsführung.

„Drums sind Verstärker von Sprache“, schreibt der New Yorker Musikforscher Ned Sublette in seinem Buch „Cuba and its Music. From the first Drums to the Mambo“. Interessanterweise ist Musik aus der Karibik und Lateinamerika wiederum eine Folie für den nun so beliebten Mbalax-Stil.

Der schönste Track auf „Yermande“ heißt „Jigeen“ – und damit wäre man wieder mitten im 21. Jahrhundert, denn „Jigeen“ ist das Wort für Frau in der Sprache der Wolof. Der Song ist Uptempo, zunächst nur mit einer Handtrommel und der Stimme von Mbene Diatta Speck. „Die Männer sollen die Würde der Frau respektieren. Jede Frau ist ihre Mutter“, heißt es. Dann prasseln die Percussion und die Gitarre los. Es klingt wie ein nicht enden wollender Regen.

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