Infos für Insider: Futter für Politik-Nerds

Der „Rundblick Niedersachsen“ ist ein exklusives landespolitisches Onlinemagazin – zum Teil finanziert von den Metall-Arbeitgebern

Ministerpräsident Stephan Weil mit Akte

Kommt im „Rundblick“ auch schon mal mit Audiofiles zu Wort: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Foto: Holger Hollermann/dpa

HAMBURG taz | Die Azubis im Hotel- und Gaststättengewerbe sind unzufrieden. Die landeseigene Tourismusmarketing Niedersachsen GmbH ist bloß ein „Gemischtwarenladen mit durchwachsenem Budget“. Und bald befasst sich ein Expertengremium mit den Arbeitszeiten der Lehrer.

Solche Informationen liefert im Netz der „Rundblick Niedersachsen“, ein Fachdienst für Menschen, deren tägliches Brot die Landespolitik ist. „Politikjournal für Niedersachsen“ lautet der Untertitel, doch das führt in die Irre, denn der niedersächsische Normalbürger hat vom „Rundblick“ noch nie etwas gehört.

Der Kern des Angebots ist eine fünfmal pro Woche erscheinende PDF-Ausgabe, die man für 111 Euro pro Quartal abonnieren kann. Dies tun Parlamentarier und Verbände, Behörden und Kommunen. Ein kleiner Teil der Artikel steht frei online.

Landespolitik für Insider

Der „Rundblick Niedersachsen“ ist republikweit ein Sonderfall, einen landespolitischen Informationsdienst für Insider gibt es anderen Bundesländern nicht. Der Urvater des „Rundblicks“ ist Rolf Zick, langjähriger Vorsitzender der Landespressekonferenz in Hannover und heute, im Alter von 95 Jahren, deren Ehrenvorsitzender. Er gründete 1974 den Branchendienst Nord-Report, der 2001 mit dem landespolitischen Informationsdienst „Rundblick“ fusionierte.

Seit diesem Sommer ist manches anders geworden beim „Rundblick“. Die Zwei-Mann-Redaktion wurde neu besetzt und das Angebot optisch modernisiert. Außerdem bietet die in unmittelbarer Nähe zum Landtag residierende Redaktion nun Soundcloud-Audiofiles mit Politiker-O-Tönen an.

Nicht zuletzt zeichne sich man durch eine „größere Meinungsfreude“ und durch „mehr Hintergrundberichterstattung“ aus als in den Jahrzehnten zuvor, sagt Klaus Wallbaum, der neue Chefredakteur.

Wallbaum ist kein kleines Kaliber. Er war ein Vierteljahrhundert für Madsacks Hannoversche Allgemeine Zeitung tätig, wechselte dann 2014 in die Zentralredaktion des Medienkonzerns, das sogenannte Redaktionsnetzwerk Deutschland. Außerdem hat der Landespolitik-Fachmann 2010 eine viel gewürdigte Biografie über Rudolf Diels veröffentlicht, den ersten Chef der Gestapo, der später auf sehr gutem Fuß mit Spiegel-Gründer Rudolf Augstein stand.

Großer Name, kleines Blatt

Man könnte sagen, dass Wallbaum ein etwas zu großer Name ist für ein publizistisches Mininischen-Angebot. Man kann aber auch den Eindruck gewinnen, dass der Mittfünfziger dort ganz gut aufgehoben ist, weil es landespolitische Themen anderswo mittlerweile schwer haben.

Er selbst nennt ein Beispiel: Das Vorkommen des Wolfs in Niedersachsen sei in den vergangenen Monaten überall ein großes Thema gewesen. Aber dass Ministerpräsident Stephan Weil „die Staatskanzlei aufgebläht“ habe, während viele Regierungschefs vor ihm „eher auf eine schlanke Staatskanzlei gesetzt haben“ – so etwas werde heute nur noch selten gründlich analysiert. „Das war vor zehn Jahren vielleicht noch anders“, meint Wallbaum.

Sein Kollege Martin Brüning, Chefredakteur für neue Medien, ergänzt, ein Zeitungsredakteur entscheide sich eher für einen Unfall auf der Autobahn als für die Neuregelung des Paragrafen 45 des Personenbeförderungsgesetzes – „obwohl es da um viel Geld geht, nämlich, wie viel die Busunternehmen von den Kommunen für die Schülerbeförderung bekommen“.

Niedersachsenmetall zahlt

Dafür, dass Wallbaum und er solche vordergründig nerdig-trockenen Themen in allen Details ausbreiten können, sorgt ein ungewöhnlicher Geldgeber. Hinter der Drei-Quellen-Mediengruppe, in der der „Rundblick“ erscheint, steht der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall. Dessen Geschäftsführer Volker Schmidt ist in Personalunion auch Geschäftsführer des Verlags. Das wirkt anrüchig, aber Brüning sagt: „Wenn uns nicht garantiert worden wäre, dass Niedersachsenmetall keinen Einfluss auf die redaktionelle Arbeit nimmt, hätte ich meinen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben.“

Andererseits gibt ein Verlag ja bereits durch seine Personalauswahl immer auch eine Richtung vor. Martin Brüning zum Beispiel war mehr als vier Jahre Pressesprecher und stellvertretender Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag.

Hielte Niedersachsenmetall nicht „die redaktionelle Freiheit“ hoch, bekämen wir ein Glaubwürdigkeitsproblem“, so Verbandssprecher Christian Budde. „Unsere Abonnenten in den Kommunen und Landkreisen würden verwundert gucken, wenn der ‚Rundblick‘ plötzlich ein Mitgliedsunternehmen unseres Verbands porträtierte.“ Der „Rundblick“, verspricht er, werde „giftig in alle Richtungen bleiben“.

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