Duale Ausbildung: Neue Wege für Azubis

Junge Menschen aus eingewanderten Familien sind bei Auswahlverfahren für Lehrstellen oft benachteiligt. Ein Pilotprojekt soll neue Zugangswege schaffen.

Nicht nur in Pflegeberufen zählt die Motivation mehr als Schulnoten Foto: dpa

Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter den 21-Jährigen in Berlin liegt bei 43 Prozent. Unter den jungen BerlinerInnen, die eine duale Ausbildung machen, spiegelt sich das aber nicht wider. Das Pilotprojekt „Erprobung neuer Zugänge in die Ausbildung“, das der Berliner Integrationsbeauftragte Andreas Germershausen am Montag gemeinsam mit beteiligten Betrieben, dem Kommunalen Arbeitgeberverband Berlin und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vorstellte, soll Abhilfe schaffen und das klassische Ausbildungssystem nicht nur ergänzen, sondern verändern.

Sechzehn Betriebe mit Landesbeteiligung, darunter der Klinikbetreiber Vivantes, die Verkehrsbetriebe BVG und die Wohnungsbaugesellschaft Degewo, nehmen an dem Projekt teil, indem sie insgesamt über 55 Ausbildungsplätze für Jugendliche aus Familien mit Einwanderungsgeschichte zur Verfügung stellen. Voraussetzung für die Ausbildung ist ein erfolgreich absolviertes Betriebspraktikum – bisherige Einstellungstests und Auswahlverfahren werden verändert.

So muss etwa der theoretische Teil des Einstellungstests bei den Berliner Bäder-Betrieben, bei dem Grundlagen der Chemie und Mathe abgefragt werden, nicht mehr zwangsläufig bestanden werden, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Auch bei der Charité möchte man künftig den Fokus auf das Gespräch legen, denn es gehe weniger darum, die besten als vielmehr die passenden BewerberInnen zu finden. „Ob jemand für die Pflege geeignet ist, zeigt nicht die Schulnote in Biologie, sondern die Haltung“, sagt Marianne Rabe, pädagogische Geschäftsführung der Charité.

Es habe sich gezeigt, dass Jugendliche genau die Richtigen für eine Ausbildung sein können und dennoch an den Auswahlverfahren scheiterten, so Germershausen. „Essenziell ist die Motivation der Azubis, nicht die Schulnote. Dafür braucht es mehr Gespräche“, verdeutlicht Monika Wilczek, Projektleitung Stabstelle Ausbildung der Charité CFM Facility Management.

Bei der individuellen Stärkung ihrer Motivation und ihres Durchhaltevermögens sollen die Jugendlichen vor und während der Ausbildung durch die Kampagne „Berlin braucht dich!“ Unterstützung erhalten. Die Senatsinitiative arbeitet seit zehn Jahren an der Vernetzung von Schulen und Betrieben – mit positiver Bilanz: 2006 lag die Quote der Azubis mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst nur bei 8,7 Prozent – 2014 waren es bereits 17,6 Prozent.

„In den ersten zwei Jahren der Kampagnenarbeit ging die Quote schnell nach oben. Dann folgte Stagnation“, sagt Klaus Kohlmeyer, Geschäftsführer des Beruflichen Qualifizierungsnetzwerkes für Migrantinnen und Migranten (BQN), das die Kampagne unterhält. Mittlerweile arbeitet das Konsortium mit über 25 Sekundarschulen und 60 Betrieben zusammen. „Wir gehen in die Schulen, in denen es am schwierigsten ist“, so Kohlmeyer. „Die Jugendlichen kommen zu 70 bis 80 Prozent aus Hartz-IV-abhängigen Familien und zu gleichen Anteilen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte.“ Der Anteil von SchülerInnen, die nach der Schule in eine duale Ausbildung gehen, habe sich an einigen der Schulen von 10 auf mittlerweile 25 Prozent erhöht, so Kohlmeyer.

Ziel der Kampagne ist es, eine Quote von 28 Prozent neuer Azubis mit Migrationshintergrund für die Betriebe des öffentlichen Dienstes und jener mit Landesbeteiligung zu erreichen – das entspricht dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Berliner Bevölkerung insgesamt. „Das können wir bald schaffen“, sagt Kohlmeyer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.