Neue Studie zur menschlichen Mimik: Ich sehe was, was du nicht siehst

Mimik ist kulturabhängig. Das ergab eine neue Studie von zwei spanischen Wissenschaftlern. Sie widerlegen somit die bisherige Theorie.

Ein weiß geschminkter Pantomime mit weit aufgerissenen Augen und Mund

Die Mimik ist wichtig, wahrscheinlich versteht sie aber nicht jeder gleich Foto: dpa

Die beiden Wissenschaftler Carlos Crivelli und Sergio Jarillo haben die bisherigen Studien zum Thema Mimik hinterfragt. Bisher galten in diesem Bereich die Untersuchungen von Paul Ekman aus den 1960er-Jahren als Standard. Ekman untersuchte in seinen Studien das Zusammenspiel von den 43 Gesichtsmuskeln und welche Ausdrücke sie ergeben. Die entstandenen Gesichter fanden sich in allen Ländern wieder, die er untersuchte.

Er reiste dafür extra nach Papua Neuguinea zu den Trobriand-Inseln um die Mimik der Ureinwohner zu studieren. Seine Erkenntnis war, dass jeder Mensch Wut, Angst, Freude, Überraschung, Verachtung, Ekel und Trauer ausdrücken kann. Er nahm dadurch an, dass die Mimik überall gleich ist.

Crivelli und Jarillo haben jetzt untersucht, ob die verschiedenen Expressionen überall als gleiche Emotionen gedeutet werden. Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin Miriam Junge erklärt: „Die Grundemotionen sind überall gleich. Alles andere hat etwas mit der Sozialisierung zu tun. Körperlicher Ausdruck ist universell.“

Großer Aufwand für die neue Studie

Die beiden spanischen Wissenschaftler reisten dafür wie Ekman zu den Trobriand-Inseln. Sie lernten die Sprache der Trobriander, Kilivila, und ihre Kultur kennen. Für die anschließenden Untersuchungen brauchten sie daher keinen Übersetzer. In einem ersten Test sollten die Probanden Gesichter einer Emotion zuordnen. Im zweiten Test wurden mehrere Gesichter gezeigt und die Probanden sollten sagen, wer beispielsweise glücklich ist oder einen Streit anfangen will. Der Test wurde mit einer spanischen Probandengruppe wiederholt und es zeigten sich – wie bereits nach der Durchführung mit den Trobriandern vermutet – signifikante Unterschiede, was die Deutung von Gesichtsausdrücken angeht.

Lachen und Freude wurden dabei immer richtig zugeordnet. Die größte Diskrepanz gab es bei einem Gesicht, dass weit geöffnete Augen und Mund zeigte und nach Luft schnappte. Während das im westlichen Kulturkreis als Angst und auch Unterwerfung gewertet wird, beschrieben die Trobriander dies als böse und angriffslustig. Auch wenn sich alle Gesichtsausdrücke in allen Kulturen wiederfinden, hängt die Interpretation von Mimik von der jeweiligen Kultur ab.

Dies vermuteten zuvor bereits einige Wissenschaftler, was Crivelli und Jarillo nun bestätigt haben. Ob Ekmans Annahmen nun komplett neu überdacht werden müssen, ist noch nicht geklärt. In seinen Forschungen untersuchte er die Mikromimik, die sich überall wiederfand. Die Verhaltenstherapeutin Junge meint: „Die Mikromimik unterscheidet sich von der Mimik, die man im Alltag sieht und bewertet.“ Sie ist der Meinung, dass normale Mimik von der Kultur abhängig sein kann. Wenn das tatsächlich so ist, hätte das auch für andere Wissenschaften Konsequenzen wie beispielsweise die Kommunikationswissenschaften oder die Verhaltensbiologie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.