Spuk in Mexiko-Stadt
: Walls & Trumps

Globetrotter

von Elise Graton

Als ich vor zwei Wochen in Mexiko-Stadt war, hatte ich einen unerwarteten Schutzengel, der mir half, mich durch die Stadt zu navigieren. C. studierte mal ein Jahr in San Diego, USA. Wir verständigten uns auf Englisch. Natürlich fragte ich, wie sie als Mexikanerin zu Trump steht, und sie sagte nur knapp: „He hates us. But … I like walls. I like Pink Floyd.“

„Hier gehen die Menschen so ungewohnt lieb miteinander um“, schwärmt D. aus Belgien bei Tacos und Ceviche. Sein Gefühl teile ich uneingeschränkt. Trotzdem fällt es mir schwer, die Gefahrenlage auf den Straßen der Millionenstadt einzuschätzen, die als eine der gefährlichsten der Welt verrufen ist. „Vielleicht übertreibt es die Presse einfach ein wenig“, meint D., der in Molenbeek bei Brüssel wohnt.

Vorsichtshalber frage ich immer mal wieder C. nach ihrer Meinung, bevor ich einen Ort besuche, der nicht auf meinem Mini-Touristenstadtplan verzeichnet ist. C. stammt eigentlich aus Mazatlán, Gebiet des berüchtigten Sinaloa-Kartells, wohnt aber schon seit vier Jahren in der Hauptstadt. Ein wenig nervös starrt sie immer auf die Decke, sobald wir einen Altbau betreten: „Die fällt garantiert gleich runter.“ Und sie untersagt mir auch mal ohne mögliche Widerworte den Besuch eines mir empfohlenen Restaurants: „Sorry, die Gegend ist nachts einfach zu unsicher.“ So verabschiedet mich C. zu meinen täglichen Ausflügen mit Sprüchen auf einer Skala von „Okay. Viel Spaß“ bis „Versuche bloß nicht, dort neue Freunde zu finden.“

Zum Mercado Sonora am südöstlichen Rand des historischen Zentrums, wo C. immer einkauft, wenn es mit dem Geld mal wieder knapp wird, will sie mich begleiten. Zeit hat sie dann aber leider doch nicht. Also meint sie zu mir: „Geh! Aber geh bitte nicht zu Fuß! Mit der U-Bahn kommt man direkt bis zum Eingang.“

In Sonora riecht es intensiv – mal erfrischend nach Minze und allerlei Kräutern bei den Naturheilkundlern, mal bestialisch: In der Tierabteilung werden lebendige Küken, Ziegen, Welpen, Kröten, Leguane und Krokodile angeboten. In der Sektion für schwarze Magie beäuge ich die Fläschchen mit Inhalten wie Katzen-, Wolfsherz- oder auch Drachenblut. Gut gegen Unfälle, Mutlosigkeit oder Missgunst. Für zehn Pesos (etwa 50 Cent) erwerbe ich schließlich eine Handvoll bunt schillernder Samenkörner, um – so verspricht mir der Verkäufer – einen finanziellen Aufschwung anzukurbeln.

Es ist Ende Oktober: Vor allem Maskerade und Verkleidung werden zurzeit gern gekauft. Totenköpfe, so weit das Auge reicht – aber mindestens genauso viele US-Superheldenmasken und Monsterkostüme aus Blockbustern.

All diese Skelette und Geschöpfe treffe ich, wie erwartet, in der Nacht vom 1. zum 2. November beim Volksfest zum Día de los Muertos (Tag der Toten) in Coyoacán wieder – dazu zwei Nazi-Zombies und ein paar Donald Trumps. Auf ihrem Weg durch die Menschenmasse ziehen sie, soweit es ihre Gummimaskerade zulässt, gruselige Grimassen, und die Menge spielt Erschrecken vor. Ein Kind weint, wird aber liebevoll von den lachenden Eltern getröstet.

Seit ein paar Tagen bin ich wieder in Berlin, aber noch in Kontakt mit C. Nach der US-Wahlkatastrophe schrieb sie: „Wir sind fassungslos – damit hatte keiner hier gerechnet.“ Präsident Enrique Peña Nieto habe schon mal seinem Volk mitgeteilt, er habe Trump gratuliert und dabei beteuert, Mexiko und die USA seien ein Team. „Du kannst dir vorstellen, wie es bei uns gerade in den sozialen Medien abgeht“, meint C. „So viel gab es selten zu lachen.“

Elise Graton ist freie Journalistin und Übersetzerin in Berlin