Kohlefrei und Spaß dabei

UMWELT Rot-Rot-Grün verabredet eine Wende in der Energiepolitik. Das Stadtwerk soll wachsen

Bis 2030 will das Land auf Steinkohle für die Stomerzeugung verzichten

Die rot-rot-grüne Koalition will Ernst machen mit einer klimafreundlicheren Energiepolitik. VertreterInnen von SPD, Linken und Grünen verständigten sich bei einer bis zum frühen Samstagmorgen dauernden Verhandlungsrunde auf einen neuen Umgang mit dem landeseigenen Stadtwerk und den Netzen. Auch der Kohleausstieg wurde als Ziel verabredet.

So soll das bisher wegen seiner wenigen Kompetenzen als „Bonsai-Stadtwerk“ verspottete landeseigene Energieunternehmen massiv erweitert werden. Das Stadtwerk produziert seit rund einem Jahr reinen Ökostrom, konnte davon aber aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen nur einen Bruchteil an eigene Kunden verkaufen. Das soll sich ändern: Das Stadtwerk müsse künftig mit Strom handeln können und solle, wenn nötig, mit bis zu 150 Millionen Euro Eigenkapital ausgestattet werden, hieß es von den VertreterInnen der Parteien. „Jeder Berliner soll Kunde werden können“, berichtete Michael Efler für die Linkspartei.

Das Stadtwerk, entstanden aus einem knapp gescheiterten Volksentscheid 2013, war vor allem vom Noch-Koalitionsartner CDU kleingehalten worden. Nun soll es den Betrieb der Strom- und Gasnetze übernehmen – vorausgesetzt, das Land kann, wie von Rot-Rot-Grün angestrebt, die Netze zurückkaufen.

Die künftige Koalition will – sollte sich das rechnen – auch die vollständige Rekommunalisierung der Gasag, betonte Efler. Der geplante Rückkauf des vor 20 Jahren privatisierten Gas­versorgers war allerdings erst vor wenigen Monaten am Widerstand der aktuellen Eigentümer, darunter Vattenfall, gescheitert. Efler gab sich dennoch optimistisch, dass der Plan im zweiten Anlauf erfolgreich sein könne.

Zudem seien die Grundlagen für den Ausstieg aus dem Verbrauch von Kohle gelegt, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek. Bis 2030 will das Land auf Steinkohle für die Stomerzeugung verzichten. Bereits im kommenden Jahr ist Schluss mit der Verbrennung von Braunkohle. Kapeks Fazit: „Berlin wird grüner.“

Den Ausstieg aus der Braunkohle – die Umstellung des letzten Berliner Braunkohlekraftwerks Klingenberg auf Gas – bekommt die neue Koalition quasi geschenkt: Der Betreiber Vattenfall hatte bereits angekündigt, den Brennstoff zum letzten Mal im Mai 2017 zu verfeuern. Der Grünen-Abgeordnete und Klima­experte Georg Kössler geht aber davon aus, dass der Energiekonzern den bevorstehenden Richtungswechsel bei der Abgeordnetenhauswahl zum Anlass genommen hat: „Wir haben da entsprechenden Druck aufgebaut.“

Beim Thema Steinkohle orientierte sich die für Energie zuständige Fachgruppe in den Koalitionsverhandlungen stark am vor Kurzem vorgelegten Bericht der Enquetekommission „Neue Energie für Berlin“. ­Dieser schlägt unter anderem vor, die Dekarbonisierung auch über das Fernwärmenetz voranzutreiben – etwa indem man vorschreibt, wie viel CO2bei der ­Produktion von Fernwärme maximal entstehen darf. Ein Weg, den auch das Bündnis Kohleausstieg Berlin empfiehlt. Wie dies in konkrete Maßnahmen um­gesetzt wird, ist freilich noch offen.

SPD und Linke wollen in jedem Fall alle Energienetze, also auch das Fernwärmenetz, rekommunalisieren. Die Grünen sind da etwas skeptischer, auch weil sie an der Wirtschaftlichkeit zweifeln. Sie wollen vor allem den Betrieb der Netze im Sinne der Klimapolitik regulieren, unabhängig davon, wer sie betreibt. (bis, clp, all)