Alnatura verliert vor Landesarbeitsgericht: Ein Betriebsrat wird kommen

Alnatura blockierte die Wahl eines Betriebsrats in einer Bremer Filiale. Nun hat das Landesarbeitsgericht den Weg zur Wahl freigemacht.

Prince Charles steht in einem Supermarkt vor einem Obstregal

Im Vordergrund royaler Glanz, die MitarbeiterInnen und ihre Rechte bleiben im Hintergrund Foto: dpa

BREMEN taz | Einhundert Filialen hat die Biosupermarktkette Alnatura deutschlandweit, und nur eine davon hat einen Betriebsrat. Das zu ändern, versuchen seit 13 Monaten MitarbeiterInnen einer Bremer Filiale. Bisher erfolglos: Immer wieder scheiterte ihre geplante Betriebsratswahl am Arbeitgeber.

Am gestrigen Dienstag nun bestätigte das Bremer Landesarbeitsgericht (LAG) die Einsetzung eines Wahlvorstands. Der ist für die Durchführung der eigentlichen Wahl einer ArbeitnehmerInnenvertretung notwendig. Sollte Alnatura den Beschluss diesmal akzeptieren, könnte dies in der Filiale in der Bremer Faulenstraße endlich geschehen.

Ob das Unternehmen die Entscheidung hinnimmt, ist freilich keineswegs klar. Innerhalb eines Monats kann es eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht einlegen – und hält sich vorerst bedeckt: Erst einmal, sagte Personalleiter Joachim Schledt nach Verkündung des Beschlusses, müsse man sich die Begründung des LAG in Ruhe durchlesen, dann werde man weitersehen.

Genauso war’s bereits beim letzten Verfahren vorm Bremer Arbeitsgericht. Nach der gescheiterten Wahl eines Wahlvorstandes im Oktober 2015 – damals hatten sich die Stimmen der Alnatura-MitarbeiterInnen auf zu viele KandidatInnen verteilt, sodass niemand eine absolute Mehrheit bekam – wurde bereits ein Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht eingesetzt.

Alnatura spielt auf Zeit

„Die Wahl wurde durch taktische Spielchen der Filialleitung verhindert“, sagte damals die Grünen-Politikerin und ehemalige Alnatura-Beschäftigte Kai Wargalla, die für den Wahlvorstand kandidiert hatte. Unmittelbar vor der Wahl habe die Filialleitung drei zusätzliche KandidatInnen aufgestellt – um eine Mehrheitsentscheidung absichtlich zu verhindern. Sowohl die Filialleitung als auch der Alnatura-Gebietsleiter hätten im Vorfeld MitarbeiterInnen zu Gesprächen geladen und ihren Unmut über die geplante Betriebsratswahl geäußert.

All diese Querelen waren für Ver.di-Sekretärin Sandra Schmidt Grund genug, keinen zweiten Wahlgang durchzuführen, sondern den Wahlvorstand direkt vom Arbeitsgericht einsetzen zu lassen. Das setzte unter anderem Kai Wargalla zum Wahlvorstand ein. „Undemokratisch“, fand das Alnatura. Mit einer Beschwerde gegen die Einsetzung ließ sich das Unternehmen freilich Zeit bis zum Ende der vierwöchigen Frist – und forderte für die Beschwerde-Begründung dann noch eine Fristverlängerung.

Mit dem in Bremen gäbe es zwei Alnatura-Betriebsräte und das Recht auf einen Gesamtbetriebsrat

Die Zeit nutzte Alnatura, um Wargallas befristeten Arbeitsvertrag nicht zu verlängern – und dann als weiteren Beschwerdegrund anzuführen, dass es den vom Gericht eingesetzten Wahlvorstand ja nun gar nicht mehr geben könne, weil Wargalla bei einer Betriebsratswahl nicht mehr im Unternehmen tätig sei.

Außerdem wurde die Zahl der Angestellten auf unter 20 dezimiert: Damit hat die Filiale nur noch einen Anspruch auf einen einköpfigen Betriebsrat. „Interessanterweise“, sagt Wahlvorstand Nils Bauer, „sind zwischenzeitlich wieder Leute eingestellt worden – allerdings Leiharbeiter.“

MitarbeiterInnen werden unter Druck gesetzt

Man habe gar nichts gegen einen Betriebsrat, sagte der Anwalt von Alnatura beim gestrigen Gerichtstermin, schließlich gebe es ja auch schon einen – in einer Filiale in Freiburg. Bloß hätte es im Oktober in Bremen mindestens einen zweiten Wahlgang geben müssen, „alles andere ist nicht im Sinne einer demokratischen Willensbildung“.

Dem folgte das LAG nicht. Es habe „festgestellt, dass die Durchführung eines zweiten Wahlgangs auf der Betriebsversammlung nicht notwendig gewesen ist“, heißt es im Beschluss. Die Kammer habe entschieden, dass es nicht darauf ankomme, aus welchen Gründen auf der Betriebsversammlung kein Wahlvorstand gewählt worden ist. „Damit ist der Weg frei für die Einleitung einer Betriebsratswahl in dem Einzelhandelsunternehmen.“

Nicht viel deutet darauf hin, dass Alnatura das akzeptieren wird. KollegInnen, die sich offen für einen Betriebsrat aussprächen, bekämen bis heute Druck, berichtet ein Alnatura-Mitarbeiter der taz. Sie würden an „Kasse 1“ versetzt, weil dort Fehler, etwa in Form von zu wenig oder zu viel Geld in der Kasse „messbar“ seien – und das würde mit Abmahnungen geahndet. Es gebe zwar einen neuen Filialleiter, mit dem die Stimmung im Team besser geworden sei, aber der habe nur einen befristeten Vertrag bis Februar. „Man hat den Eindruck, er soll auf die nette Tour die Kollegen davon überzeugen, dass wir keinen Betriebsrat brauchen.“

Sollte Alnatura entgegen den Erwartungen des Wahlvorstandes und Ver.di keine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die LAG-Entscheidung einlegen, könnte die Betriebsratswahl Anfang 2017 stattfinden. Dann hätte Alnatura zwei Betriebsräte in Deutschland – und damit auch das Recht auf einen Gesamtbetriebsrat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.