Volksabstimmung in der Schweiz: Keine Meiler, aber mehr Jobs

Am Sonntag stimmen die Eidgenossen über die schrittweise Abschaltung ihrer AKWs bis zum Jahr 2029 ab. Die Regierung hat es nicht so eilig.

Vier Demonstranten laufen mit Flaggen vor einem Atommeiler

Schon lange protestieren Menschen in der Schweiz gegen den Atommeiler Beznau, wie hier 2011 Foto: reuters

GENF taz | Die Umfragen sehen die Ausstiegsbefürworter nur ganz knapp vorn. Dabei würde ein Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2019 allein in der Stromproduktion durch erneuerbare Energien kurzfristig 5.000 bis 6.000 neue Jobs schaffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag der Schweizer Energiestiftung (SES).

Am kommenden Sonntag stimmen die Eidgenossen über eine Volksinitiative ab, die die schrittweise Abschaltung der fünf Schweizer AKWs in den nächsten 13 Jahren und sowie ein Bau- und Betriebsverbot für neue Meiler vorsieht. Darüber hinaus fordert die Initiative eine Energiewende, die auf mehr Energieeffizienz und mehr Erneuerbaren basiert. Diese sollen den Bedarf bis spätestens 2030 zu 100 Prozent decken.

Bislang plant die Schweizer Regierung, erst Mitte des Jahrhunderts ohne Atomkraft auszukommen – und sich zunächst „weitgehend“ mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Selbst das würde laut der ZHAW-Studie knapp 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

Der vollständige Ersatz des AKW-Stroms durch Erneuerbare bis 2030 ist machbar, halten die Autoren der Studie fest. Den größten Beschäftigungseffekt sehen sie im Ausbau der Photovoltaik. Dies ist die Technologie, die am raschesten genutzt werden kann. Beim vollständigen Ersatz des Atomstroms würden laut der Studie rund zwei Drittel des bestehenden Potenzials an geeigneten Dachflächen in der Schweiz ausgenutzt.

AKWs nach 45 Jahren im Betrieb abschalten

Die Studie untersuchte einzig den Zuwachs an Arbeitsplätzen durch Ausbau der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien. Die in der Atombranche für die Stilllegung von AKWs und die Entsorgung des Atommülls neu zu schaffenden Arbeitsplätze wurden in der Untersuchung nicht berücksichtigt.

Eine Studie der ZHAW aus dem Jahr 2012 zeigt, dass die Energiewende als Gesamtprojekt in der Schweiz 85.000 neue Arbeitsplätze bringen würde. Die am 27. November zur Abstimmung stehende Initiative fordert, dass AKWs in der Schweiz maximal 45 Jahre betrieben werden dürfen.

Eine Annahme der Initiative würde die endgültige Abschaltung von Beznau 1 bedeuten. Mit 47 Jahren Laufzeit ist das AKW im Kanton Aargau das älteste und am längsten in Betrieb befindliche der Welt.

Bereits seit über einem Jahr steht Beznau 1 still – wegen gravierender Sicherheitsmängel, die auch durch Reparaturen oder Nachrüstungen nicht behoben werden können. 2017 müssten die beiden AKWs Beznau II und Mühleberg nach dann 45 Jahren Betriebsdauer vom Netz genommen werden, 2024 Gösgen und 2029 Leibstadt.

Schon zwei Drittel Erneuerbare in der Schweiz

Die 151 bis Ende 2015 weltweit bereits stillgelegten Atomreaktoren wurden schon viel früher abgeschaltet, als es die Initiative nun für die Schweizer Meiler verlangt: Laut Internationaler Atomenergieagentur hatten sie im Schnitt eine Betriebsdauer von 25,6 Jahren.

Für die Initiative ist „kaum ein anderes Land besser positioniert für die Energiewende als die Schweiz“. Bereits heute stammen zwei Drittel der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien – davon 60 Prozent aus Wasserkraft.

Für eine 100-prozentige einheimische Versorgung mit Strom aus Erneuerbaren bis 2029 müsste die Schweiz pro Jahr und EinwohnerIn die Stromproduktion um nur rund 210 Kilowattstunden ausbauen. Das ist weniger als die Produktion eines Solarpanels.

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