Kommentar André Shepherd: Mission erfüllt

Dem US-Deserteur André Shepherd wird Asyl in Deutschland formal verweigert. Er mag vor Gericht verloren haben, aber er hat viel erreicht.

Ein Mann geht durch die Flure eines Gerichtsgebäudes, umgeben von Kamerateams

Er geht – nicht als anerkannter Flüchtling, aber erhobenen Hauptes: André Shepherd Foto: dpa

Fast zehn Jahre nach seiner Fahnenflucht verweigerte das Verwaltungsgericht München am Donnerstag dem US-Deserteur André Shepherd Asyl in Deutschland. Shepherd habe nicht ausreichend belegen können, dass er bei einem drohenden Einsatz im Irak an Kriegsverbrechen hätte teilnehmen müssen. Außerdem sei eine Desertion nicht das „letzte Mittel“ gewesen.

Shepherd mag vor Gericht verloren haben, aber er hat dennoch viel erreicht.

Er hat gezeigt, dass ein US-Deserteur in Deutschland ein neues Leben anfangen kann. André Shepherd konnte heiraten, er kann arbeiten, er hat inzwischen ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Ihm droht keine Abschiebung in die USA. Sein Fall hat auch keine spürbaren diplomatischen Verwicklungen verursacht. Ob er nun auch als Flüchtling anerkannt wird, macht in seinem Fall materiell keinen Unterschied.

Außerdem hat Shepherd mit seiner Klage auch eine Klärung der Rechtslage erreicht. Maßgeblich ist das in seinem Fall verkündete Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Februar 2015. Der EuGH entschied, dass nicht nur Soldaten als Deserteure Asyl in Europa erhalten können, sondern auch sonstige Militärangehörige wie der Hubschrauber-Mechaniker Shepherd. Wer desertiert, weil er nicht an Kriegsverbrechen teilnehmen will, muss auch nicht nachweisen, dass es bereits solche Verbrechen gegeben hat, sondern dass sie in Zukunft vorkommen werden.

Allerdings hat der EuGH die Hürden relativ hoch angesetzt. Wenn ein Einsatz mit Uno-Mandat oder in internationalem Konsens erfolgt, sei tendenziell ebensowenig mit der Anordnung von Kriegsverbrechen zu rechnen, wie bei Staaten, die Kriegsverbrechen nicht nur verbieten, sondern auch bestrafen. Außerdem müsse eine strafbare Fahnenflucht das letzte Mittel sein. Das heißt, eine Kriegsdiensverweigerung oder Versetzung müsste im Heimatstaat als Alternative unmöglich sein.

Mit seiner Klage hat Andre Shepherd auch eine Klärung der Rechtslage erreicht. Nicht nur Soldaten können Deserteure sein, sondern auch sonstige Militärangehörige

Ob Shepherd nun noch von deutschen Gerichten die Bestätigung erhält, dass er berechtigt aus der US-Army desertiert ist und deshalb Anspruch auf Asyl hat, das klärt keine Grundsatzfragen mehr. Es geht jetzt nur noch um die Anwendung der EuGH-Regeln auf einen Einzelfall. Zukünftige Fälle werden wieder anders liegen.

Die größte Schutzlücke für Deserteure hat mit dem Fall Shepherd nichts zu tun. Das EU-Recht verspricht Deserteuren nur dann Asyl, wenn sie so die Begehung von Kriegsverbrechen vermeiden wollen. Der Pazifist, der jeden Kriegsdienst ablehnt und deshalb desertiert, hat in der EU keinen Asylanspruch – auch wenn er im Heimatland keine Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung hat und ihm Strafe droht.

Ein solcher Deserteur ist André Shepherd aber nicht. Er war Berufssoldat und wollte nur nicht im Irak eingesetzt werden. Sein Land hätte er durchaus auch militärisch verteidigt.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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