der rote faden
: Mit Graswurzel-Euphorie in den Dreckschleudergang

nächste wochedaniel schulz Foto: Helene Wimmer

durch die woche mit

Robert Misik

Ich bin schon seit Mittwoch nervös, aber jetzt haben wir es ja gleich geschafft. Nach dem ersten Durchgang im ­April, der ersten Stichwahl im Mai, nach der Aufhebung des Ergebnisses durch den Verfassungsgerichtshof, nach der Verschiebung des planmäßigen Wiederholungstermins, weil die Briefwahl­kuverts auseinanderfielen, nun also der endgültige Bundes­präsi­dentenstichwahlwiederho­lungsverschiebungstermin!

Die Leute von den interna­tio­nalen Fernsehstationen und Reporter aus allen Weltecken stehen sich gegenseitig auf den Zehen, alle laufen natürlich der Story nach: Wählt Österreich einen rechtsradikalen Kandidaten zum Bundespräsidenten? Schafft es Norbert Hofer, der FPÖ-Mann, die Mehrheit zu gewinnen, und gehen dann, nach Brexit-Überraschung und Trump-Schrecken, neue Schockwellen durch – mindestens – Europa?

Schockwellen

Sehr gut möglich, dass es nicht so kommt. Sehr gut möglich, dass der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen die Mehrheit gewinnt – vielleicht sogar deutlicher als im Mai, als er nur arschknapp mit 31.000 Stimmen Vorsprung gewann. Zigtausende junge und auch nicht so junge Leute haben für Van der Bellen Wahlkampf gemacht, die meisten davon Leute, die so etwas noch nie getan haben – es war eine begeisternde zivilgesellschaftliche Grassroots-Kampagne.

Grüne Parteileute, sozialdemokratische Politiker, konservative Bürgermeister und viele andere mehr haben sich gemeinsam für Van der Bellen ins Getümmel geworfen. Um Hofer zu verhindern. Um den Sieg der Rechtspopulisten zu verhindern. Um die FPÖ aufzuhalten.

Aber selbst wenn das jetzt doch noch gelingt – und nicht vergessen, ich bin schon seit Mittwoch nervös, und das wäre ich nicht, wenn nicht eine große Gefahr bestünde, dass es nicht gelingt –, also, selbst wenn das noch einmal gelingt, dann ist natürlich nichts gut. Hofer wäre verhindert. Aber das ist auch schon Teil des Problems: Sobald die rechten Radauparteien eine gewisse Größe überschreiten, dreht sich praktisch alles um sie. Progressive Parteien führen dann beinahe nur mehr Negativwahlkämpfe, deren implizite Hauptparole lautet: Wählt uns, damit die anderen nicht gewinnen.

Getümmel

Auch wenn man mit so etwas wie einem eigenen Weltbild und ein paar eigenen Ideen antritt, schieben sich diese in den Hintergrund. Es geht nur mehr ums Verhindern.

Blickt man auf diesen Wahlkampf, ist das so ähnlich wie mit diesen Vexierbildern, die jeweils etwas anderes abbilden, je nachdem, wie man blickt.

Ja, es ist begeisternd, mit welcher Verve Zigtausende darum kämpften, ihr Land nicht vor die Hunde gehen zu lassen. ­Welchen Spaß sie dabei auch hatten, wie viel Elan sie entwickelten.

Elan

Aber zugleich bietet sich auch ein ganz anderes Bild: In einer einjährigen Dauerwahlkampf-Kampagne bombardierte die FPÖ das Land mit Lügen und Verhetzungsgeschichten, mit den Gruselstorys, dass Migrantenhorden plündernd und vergewaltigend durchs Land ziehen, die Lügenpresse die Wahrheit verschweigen, die Eliten sich zu einem Kartell gegen das Volk verschwören würden, das nur in der FPÖ seinen Fürsprecher habe.

Je nach Kanal variierten sie diese Botschaften: Via Social Media wurden Hassbotschaften verbreitet, die die eigene Stammklientel immer tiefer in eine Paranoia treiben sollen, der willfährige, de facto mit der FPÖ verpartnerte Boulevard bereitete die Fantasien für die Masse auf, und in der TV-Debatte verspritzte der Kandidat Hofer sein Gift mit sanfter Miene und Dauerlächeln. In einer Internetflüsterkampagne verbreitete man, Van der Bellen habe Krebs, und vor laufenden Kameras insinuierte der FPÖ-Kandidat, sein Rivale sei vergesslich und dement, weil Van der Bellen langsam spricht und 72 Jahre alt ist. In einem abschließenden Dreckschleudergang behauptete er sogar, der grüne Wirtschaftsprofessor sei in den 1970ern ein Spion gewesen.

Propaganda

Hass schüren, Diskurse zerstören, so lange Irrsinniges behaupten, bis niemand mehr die bizarrste Absurdität von der Wahrheit unterscheiden kann – das hat die FPÖ in diesem Wahlkampf schon erreicht, egal wie es ausgehen mag.

Und nach der Wahl ist vor der Wahl. Am Montag beginnt das Rennen um den Hauptgewinn. Bei der nächsten Nationalratswahl, die spätestens 2018, möglicherweise aber schon 2017 stattfinden wird, will die FPÖ stärkste Partei werden. Die Propaganda des Hasses und der ­Lügen geht also weiter.

Es gibt in pluralistischen Demokratien kaum eine Möglichkeit, zu verhindern, dass dieses Gift den Organismus der pluralistischen Demokratie zerstört.