Halbe Mehrwertsteuer für Schuster: Schweden fördert Reparaturen

Instandsetzung von Kleidung, Schuhen oder Rädern wird gefördert: Die rot-grüne Regierung geht mit geringeren Abgaben gegen Wegwerfkultur vor.

Menschen reparieren einen CD-Player

Eine Steuersenkung nach schwedischem Vorbild würde auch diesem Repaircafé in Hannover helfen Foto: dpa

STOCKHOLM taz | „Es ist schon faszinierend, was die Leute so alles wegwerfen“, sagt Sören Hedberg. „Man kommt ganz schön ins Grübeln, was für eine Gesellschaft wir sind.“ Hedberg arbeitet für einen Recyclinghof am Rande von Stockholm und sieht täglich, was an fast neuen Elektrogeräten, an Möbeln und Kleidung hier landet. Die Abfallmenge steigt stetig an. Laut einer aktuellen Statistik werfen die 4,5 Millionen schwedischen Haushalte jährlich allein rund 800.000 Haushaltsgeräte weg.

Eine Studie der Hochschule Borås kam zu dem Fazit: „Ohne eigentlich auf Lebensqualität verzichten zu müssen, könnten wir die Abfallmenge auf das Niveau von vor 15 Jahren beschränken.“ Nämlich dann, wenn man beispielsweise ein Elektrogerät nicht gleich wegwerfen würde, weil ein Schalter nicht mehr funktioniert. Oder wenn man sich nicht sofort ein neues Mobiltelefon kauft, weil beim alten das Display zerbrochen ist.

Größeren Anreiz zu Reparaturen will nun Schwedens rot-grüne Regierung schaffen. Ab 1. Januar wird die Mehrwertsteuer für die Instandsetzung von Kleidung, Schuhen oder Fahrrädern halbiert. Und kommt ein Handwerker ins Haus, um einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine zu reparieren, kann man die Hälfte der Arbeitskosten von der Steuer absetzen.

Ein Stundenlohn von umgerechnet 50 Euro reduziert sich für den Verbraucher damit in der Praxis auf 25 Euro. Findige Unternehmer haben bereits reagiert: Weil die Steuerersparnis für Lohnkosten nur für Reparaturen vor Ort gilt, bieten sie an, ins Haus zu kommen und dort ein Handydisplay zu wechseln oder ein kaputtes Fahrrad zu reparieren. Laut Finanzbehörde ist das auch legal.

Für das Klima und die Umwelt

Man hoffe, mit der neuen Regelung mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können, meint der grüne Verbraucherminister Per Bolund: etwas gegen die Wegwerfkultur und für das Klima, die Umwelt und einen sparsamen Umgang mit Naturressourcen zu tun und außerdem noch neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen von einer Informationskampagne für die breite Öffentlichkeit und an Schulen begleitet werden, um ein stärkeres Bewusstsein für umweltfreundlichen Konsum zu schaffen. Für die Steuererleichterungen hat die Regierung 750 Millionen schwedische Kronen (76,5 Millionen Euro) eingeplant.

Den Vorschlag für den jetzt verwirklichten „REP-avdrag“ – Steuerabzug für Reparaturkosten – machte bereits vor fünf Jahren der schwedische Naturschutzverband Naturskyddsföreningen. Der auch ein Pfandsystem für Mobiltelefone anregt. Die Begründung: „Unsere Umwelt und das Klima brauchen sowohl traditionelle wie elektronische Schuhmacher.“

Aber gibt es die überhaupt? „Ich habe vor 20 Jahren eine Gymnasialausbildung mit Elektro- und Teleschwerpunkt absolviert, da lernten wir noch, wie man solche Sachen repariert“, erzählt Patrik Rodewald, der jetzt einen TV-Service betreibt, der auch Elektronikreparaturen ausführt: „Die Ausbildung gibt es schon lange nicht mehr. Die meisten, die so etwas jetzt machen, haben sich das selbst beigebracht.“ Es wird also einiges zusammenkommen müssen, um die Wegwerfmentalität wirklich eindämmen zu können.

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