Hoffnung in der Finanzkrise: Kreative Zerstörung schlechter Banken

Obwohl er kein Apokalyptiker ist, wird er "Dr. Untergang" genannt: Nouriel Roubini. Nun macht er mit seiner Analyse der Finanzkrise neue Hoffnung.

Will marode Konzerne und Banken kreativ zertrümmern: Der New Yorker Ökonom Nouriel Roubini. Bild: ap

Der Euro ist in Bedrängnis, und Europas Verantwortungsträger geraten in Panik: "Wenn der Euro scheitert, dann scheitert Europa, dann scheitert die Idee der europäischen Einigung", dramatisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ist das jüngst beschlossene und milliardenschwere EU-Hilfspaket für Not leidende Euro-Mitglieder das letzte Aufbäumen der Europäischen Union?

Die gerade erschienene Analyse der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von Nouriel Roubini und Stephen Mihm mahnt zu Sachlichkeit. Die beiden Autoren zeigen in "Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft. Crisis Economics", dass "Krisen keineswegs die Ausnahme sind, sondern die Regel". Krisen seien keine unvorhersehbaren Ereignisse, sondern eher "Gewohnheitstiere" mit absehbarem Verlauf und bekannten Handlungsoptionen. Die Wirtschaftsgeschichte verlaufe naturgemäß wellenartig. Hochs und Tiefs wechselten sich mehr oder minder zwangsläufig ab, Krisen seien unvermeidbar.

Das klänge fast zu lapidar, um es ernst zu nehmen, zeichnete sich mit Nouriel Roubini dafür nicht ein Finanz- und Wirtschaftsexperte von Großformat verantwortlich. Roubini ist Wirtschaftsprofessor in New York und war Wirtschaftsberater von US-Präsident Bill Clinton. Bereits 2006 hatte er die Finanzkrise kommen sehen, warnte vor dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Immobilienpreise und den fatalen Auswirkungen auf den globalen Finanzsektor. "Dr. Doom" (Dr. Untergang) nannte ihn deswegen einmal die New York Times. Roubini blieb ungehört - die Krise kam.

Mit dem Journalisten Stephen Mihm hat er nun nichts Geringeres als eine Wirtschaftskrisentheorie entwickelt. Das Autorenduo erforscht die Vorläufer der jüngsten Finanzkrise und entwirft eine Krisenwirtschaftspolitik, die nicht nur finanzpolitische Katastrophen überwinden, sondern künftige Wirtschaftsschocks verhindern soll. Ganz undogmatisch picken sie sich dafür das Beste aus so unterschiedlichen Ansätzen wie der Kapitalismuskritik von Karl Marx, der keynesianischen Fiskalpolitik und der Schumpeter'schen "kreativen Zerstörung" heraus.

Ohne Staat geht es nicht, so ihre Hauptthese. Die Hoffnung auf den stets sich selbst heilenden und gerechten Markt, wie sie die Chicago Boys um Milton Friedman mit ihrer Laisser-faire-Politik gepredigt haben, sei falsch. Zugleich teilen sie auch der grenzenlosen Konjunkturpolitik à la Keynes, wie sie die Industriestaaten in den letzten zwei Jahren praktiziert haben, eine Absage. Die undifferenzierte Rettungspolitik der Konjunkturprogramme habe die Disziplin der Märkte untergraben und dazu geführt, dass wir uns "in der schlimmsten aller Welten" befänden. In dieser gingen gerettete Konzerne davon aus, in künftigen Krisen wieder staatliche Hilfe zu bekommen, und machten ungehemmt weiter wie bisher.

Schlechte Banken und heruntergewirtschaftete Konzerne sollten aber nicht gerettet, sondern "kreativ zerstört" werden, fordern Roubini/Mihm. Unternehmen wie Lehman Brothers oder Hypo Real Estate gehörten zerschlagen. Nur so könnten wieder klare Verhältnisse im verworrenen weltweiten Finanzsystem geschaffen werden. An Ordnung habe es dort gefehlt. Nur deshalb konnten Hedgefonds und Ratingagenturen mit ihren undurchsichtigen Finanzprodukten und mit eilfertiger Hilfe von Investmentbankern ungehindert agieren. Die längst überfällige Strukturreform des globalisierten Finanzmarkts sei bis heute ausgeblieben. Zweifelhafte Spekulationsinstrumente wie Derivate und Kreditausfallversicherungen bestünden weiterhin.

Auch was nun folgt, klingt wie eine Beschreibung des Ist-Zustands, ist jedoch "Crisis Economics" entnommen, das lange vor der Debatte um die Griechenlandhilfe und den europäischen Rettungsschirm geschrieben wurde: Die weltweite Finanzkrise infolge der Lehman-Pleite sei das Vorspiel für die europäische Zwangslage. Die milliardenschweren Konjunkturprogramme würden die ohnehin schon defizitären Haushalte vieler europäischer Staaten zusätzlich belasten.

Der Wertanstieg des Euro gegenüber dem US-Dollar werde die Schuldenlast weiter erhöhen. Die so genannten PIGS (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien) steckten in großen haushaltspolitischen Schwierigkeiten. Nach Griechenlands Zusammenbruch könnten weitere Wetten gegen den Euro eine Abwärtsspirale auslösen, die Investoren dazu bringen könnte, ihre Gelder panisch aus den übrigen Krisengebieten der EU abzuziehen.

Erneut stellt Roubini damit seinen Ruf als "Kassandra der Gegenwart" unter Beweis. Aber was tun, um diese Panik zu verhindern? Die Autoren empfehlen eine gesamteuropäische Solidarität und Verantwortung; eine griechische Staatspleite müsse mit aller Kraft verhindert werden. Zugleich warnen sie vor falschem Sparzwang. Würde Griechenland nicht gerettet, könnten auch die anderen Club-Med-Staaten ins Straucheln geraten und die Währungsunion wäre somit in Gefahr, prophezeit Roubini.

Um der gemeinsamen Verantwortung für Europa endlich gerecht zu werden, sei eine "Vereinigung der Haushalte" überfällig, um künftige Exzesse und falsche nationale Finanzpolitiken zu verhindern. Die globalisierte Finanzwelt erfordert eine Politik, die nicht mehr national, sondern international denkt und bei Bedarf regulierend eingreift. Denn nach der Krise ist vor der Krise.

Nouriel Roubini, Stephen Mihm: "Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft. Crisis Economics". Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer und Petra Pyka. Campus, Frankfurt 2010, 470 S., 24,90 €

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