Trumps Bildungsministerin: Öffentliches Gut erbeuten

Unternehmerin Betsy DeVos will das Schulsystem privatisieren. Mit welchem Schaden, sieht man im Bundesstaat Michigan.

Die blonde Betsy DeVos spricht in ein Mikrofon

Wird jetzt US Bildungsministerin, obwohl sie nie eine öffentliche Schule besuchte: Betsy DeVos Foto: ap

NEW YORK taz | Betsy DeVos soll das Ministerium abschaffen, an deren Spitze Donald Trump sie stellen will. Auf dem Weg dahin soll sie 20 Milliarden Dollar aus dem Bildungsetat der USA abzwacken. Diese Steuergelder, die jetzt noch an öffentliche Schulen gehen, kann sie in Form von Gutscheinen an Eltern bringen, damit die ihre Kinder auf – am besten christliche – Privatschulen schicken können.

Für die Erledigung dieser Trump’schen Privatisierungsaufträge erscheint die 58-jährige angehende Bildungsministerin geeignet wie wenige andere. Das zeigt ihr Feldzug gegen staatlich finanzierte öffentliche Schulen in ihrem Heimatstaat. Dort hat sie mit dafür gesorgt, Michigan zu einem Versuchslabor für konservative Schulpolitik zu machen.

„Von Washington aus wird sie das weiter betreiben“, prognostiziert der mehrfache Vater Russ Bellant, der DeVos’ Politik und Lobbying in Michigan seit den frühen 90er Jahren kritisch beobachtet und beschrieben hat, „sie wird aggressiv so viele öffentliche Schulen wie möglich schließen.“ Elena Herrada, die bis zum vergangenen November als gewählte Vertreterin im Schulvorstand von Detroit saß, hat DeVos als eine „extrem ideologische Vertreterin des freien Marktes und fundamentalistisch-evangelikaler Ideen“ erlebt.

Auf dem Höhepunkt seiner Autoproduktion hatte Detroit ein Schulsystem, auf das der Rest des Landes neidisch sein konnte. Die „middle class“ genoss hohe Löhne und Sozialleistungen, und ihre Kinder gingen auf gut ausgestattete öffentliche Schulen. Doch die sukzessiven Fluchtbewegungen haben die Stadt bis zur Unkenntlichkeit verändert und ausgehöhlt: von der „white flight“ der Nachkriegszeit, bei der die weiße Mittelschicht in die Vorstädte zog, über die Verlagerungen der Autoindustrie in die Billiglohnregionen der Welt, bis hin zu der Flucht der arbeitslos gewordenen schwarzen Mittelschicht. Zurück blieben vor allem die Ärmsten von Detroit.

Schule als Investitionsobjekt

DeVos hat die Veränderungen in der größten Stadt ihres Bundesstaates aus dem räumlichen Abstand einer weißen Industriellenfamilie erlebt. Eine öffentliche Schule hat sie selbst nie besucht. Sie ging auf eine calvinistische Privatschule. Einer ihrer Brüder, Erik Prince, gründete später das Söldnerunternehmen „Blackwater“, das im Irak-Krieg zu brutaler Berühmtheit kam. Während er sich auf die Privatisierung von Militärischem spezialisierte, konzentrierte sie sich auf die Privatisierung der Bildung. Dabei unterstützt sie ihr Mann Dick, ebenfalls ein Republikaner, Milliardär und Industrieller, der nebenbei selbst eine „Charterschule“ in Grand Rapids gegründet hat und dort bis heute im Vorstand sitzt.

Charterschulen haben in den USA der späten 80er Jahre als fortschrittliche Experimente begonnen. Damals hieß es, sie würden Kindern, die in großen Klassen nicht genügend Förderung bekamen, neue Chancen bieten. Doch schon bald wurde die pädagogische Neuerung zu einem Investitionsobjekt, das große Anleger von Gates bis hin zu den Fonds von der Wall Street anzog und interessante Rendite verspracht. Rupert Murdoch nennt die Schulen ein „Milliarden-Dollar-Geschäft“.

Die PionierInnen hingegen wandten sich ab. Diane Ravitch, einst Unterstützerin der Charterschulbewegung und Vizebildungsministerin unter George W. Bush, bezeichnet die Charterschulen heute als „offene Tore für Großunternehmen, die tödlich für die Bildung sind.“

In Michigan verfolgte DeVos nur ein Ziel: Schulen zu einem Geschäft zu machen

Inzwischen gibt es in Detroit mehr Charter- als öffentliche Schulen. Unter den Betreibern sind nationale Unternehmen, die von New York und Phoenix aus profitorientierte Charterschulen quer durch die USA betreiben, aber auch lokale Initiativen und Kirchengemeinden, die ihre Kassen auffüllen wollen. Die rund 7.000 Dollar im Jahr, die die Betreiber je Schulkind vom Bundesstaat bekommen, fehlen den öffentlichen Schulen.

Problematische Schüler nicht erwünscht

„Charterschulen sind Cash Cows“, sagt Russ Bellant. Sie zahlen ihren LehrerInnen bis zu ein Drittel weniger Gehalt als die KollegInnen an öffentlichen Schulen verdienen, sie geben ihnen keine festen Verträge, lassen nur selten Gewerkschaften zu und sparen unter anderem, indem sie „problematische“ SchülerInnen ablehnen, deren Betreuung teuer ist. Die gewählten Schulvorstände, die bei öffentlichen Schulen dafür sorgen, dass diese ihren Auftrag erfüllen, haben bei Charterschulen keinen Einblick.

Als direkte Folge der Abwanderung von Kindern und staatlichen Mitteln zu Charterschulen wächst der Druck auf die verbleibenden öffentlichen Schulen in Detroit weiter. Sie müssen mit schrumpfenden Budgets arbeiten, bleiben aber verpflichtet, alle SchülerInnen aufzunehmen. Die 29-jährige Lehrerin Nina Chacker, die Kinder mit Hörproblemen betreut, beschreibt, dass in ihrer Schule nun besonders viele Kinder mit hohem Betreuungsbedarf sind. „Es passt nicht in das Kostenkalkül von Charterschulen, diese Kinder in kleinen Klassen zu betreuen“, sagt sie.

Eine andere Konsequenz ist, dass die öffentlichen Schulen in häufigen und über das Schuljahr verteilten Tests beweisen müssen, dass ihre SchülerInnen genauso leistungsstark wie die der Charterschulen sind, auch wenn die sich die stärksten SchülerInnen heraussuchen und die anderen ablehnen können. Für Nina Chacker ist das „ein ungesunder und ungleicher Wettkampf, der letztlich das Ziel hat noch mehr öffentliche Schulen zu schließen“.

DeVos sieht sich selbst als „Bildungsreformerin“ und Philantropin. Und trägt das Recht auf „Wahlfreiheit“ wie ein Banner vor sich her. Sie hat Millionen aus ihrem Privatvermögen ausgegeben, um sowohl republikanische, als auch demokratischen Politikern in Michigan auf ihre Linie zu bringen. Sie hat für Steuernachlässe für Charterschulen gekämpft. Und sie hat zahlreiche Vereine gegründet, die „Christentum“ und „traditionelle Familie“ im Namen tragen und letztlich alle das Ziel verfolgen: Schulen in den USA – schon vom Kindergarten an – zu einem Geschäft zu machen.

Die „Anti-Schule-Ministerin“

„Je mehr Auswahl es gibt, desto größer ist der Wettkampf und desto besser das Produkt“, sagt DeVos. Sie hat auch Trump als Präsidentschaftskandidaten mit sechsstelligen Dollarspenden unterstützt. Aber eigene berufliche Erfahrungen aus irgendeiner Schule fehlen der angehenden Bildungsministerin. Und das Schulsystem in Michigan, das sie so stark beeinflusst hat, steht im nationalen Vergleich miserabel da. Im Lesevergleich beispielsweise liegen die Leistungen von SchülerInnen aus Michigan unter den fünf schlechtesten Bundesstaaten.

Die Lehrergewerkschaften betrachten DeVos als die stärkste „Anti-Schule-Ministerin“ seit der Schaffung des Ministeriums im Jahr 1867, weil sie ihre Aufgabe darin sieht, „die öffentliche Schule zu zerstören“, wie Randi Weingarten, die Chefin der American Federation of Teachers, sagt.

Elena Herrada, die in ihren Jahren im Schulvorstand erlebt hat, wie DeVos gut laufende öffentliche Schulen in Detroit durch Charterschulen ersetzt, nennt die angehende Bildungsministerin, die noch die Bestätigung im Senat braucht, und den angehenden Präsidenten: „Plünderer, die öffentliches Gut erbeuten.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.